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Fantastik AG

Fantastik AG

Titel: Fantastik AG
Autoren: Jan Oldenburg
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dem sie ihn verlassen
hatten. Teile der Holzvertäfelung, die Theodor selbst vor (so schien es ihm)
unvorstellbar langer Zeit abmontiert hatte, lagen verstreut auf dem Boden
herum. Auf der Tafel standen noch in der kaum leserlichen Handschrift des
Professors einige phantastische Fachbegriffe aus der letzten Vorlesung. Auch
Dr. Rettelbecks ›Überblick über die Fünf Hauptklassen der Fabeltiere‹ hing
weiterhin vergilbt an der Wand, obwohl er, wie der Professor oft genug erklärt
hatte, mittlerweile reichlich überholt war.
    Theodor setzte sich auf einen der knarrenden Sitze im Auditorium und
trommelte nachdenklich mit den Fingern auf dem Tisch.
    Hier hatte er also Jahre seines Lebens verbracht.
    Lange Jahre,
die rückblickend auf schwer verständliche Weise zu einem einzigen Moment
zusammenschrumpften, in dem er im Hörsaal saß und mit den Fingern auf dem Tisch
trommelte.
    Und nun war er Doktor der Phantastik.
    Doktor Theodor Welk.
    Theodor Welk, promovierter Phantastiker.
    Vielleicht sollte er doch noch ein BWL -Studium
dranhängen…
    Â»Ist der hier noch frei?«, fragte plötzlich eine Stimme neben
ihm.
    Theodor, ganz in seine Gedanken versunken, wandte den Kopf.
    Sein Blick begegnete einem Kobold, der eine Art Pickelhaube trug,
ziemlich grimmig dreinsah und außerdem eine E-Gitarre spielte, die die Form einer
Streitaxt hatte.
    Erst beim zweiten Hinsehen wurde ihm klar, dass er einen T -Shirt-Aufdruck vor sich hatte, der offenbar für die
Musik einer Band namens ›The Kobolds of Death‹ warb.
    Dieser Name stand jedenfalls in Flammenschrift über dem
gitarrespielenden Kobold.
    Theodor hob den Blick etwas und sah ein markantes und dennoch
weibliches Kinn, darüber schwarz bemalte Lippen, eine gepiercte Nase, grüne
Augen, die ihn schelmisch musterten, rote Haare – insgesamt eine verwegene
Mischung, die Theodor dazu veranlasste, ungläubig zu flüstern:
    Â»Mercedes?«
    Das Mädchen hob eine Augenbraue.
    Â»Mercedes?«, wiederholte sie. »Versuchst du mir damit irgendwas
zu sagen? Dass du dich für Autos interessierst, vielleicht?«
    Sie ließ ihren Rucksack von der Schulter gleiten und setzte sich auf
den Platz neben Theodor.
    Â»Ã„hm«, sagte der Student, redegewandt wie eh und je.
    Â»Das ist doch hier die Vorlesung von Professor Welk, oder? Über
die Verschollenen Chroniken? Ich hab zwei Stunden gebraucht, um diesen Raum zu
finden. Im Studiensekretariat meinten sie, es gibt überhaupt keinen Raum 043a,
aber der Hausmeister hatte eine alte Karte, von 1820 oder so, auf der war der
Hörsaal eingezeichnet.«
    Â»Doch«, sagte Theodor, nachträglich auf die Frage antwortend, ob
dies die Vorlesung von Professor Welk sei.
    Das Mädchen sah sich um.
    Â»Hier ist ja ziemlich viel los. Sind die Vorlesungen bei Welk immer
so überfüllt?«
    Â»Na ja«, sagte Theodor, womit er zum Ausdruck bringen wollte, dass
die gleichzeitige Anwesenheit von zwei Studenten in einer Phantastikvorlesung tatsächlich bedeutete, dass der
Hörsaal gewissermaßen zum Bersten gefüllt war.
    Â»Ich bin übrigens Esmeralda«, sagte das Mädchen.
    Â»Theodor«, sagte Theodor mit barockem Wortreichtum.
    Â»Und du studierst auch Phantastik?«, fragte Esmeralda.
    Â»Ja«, sagte Theodor. »Das heißt – nein. Ich hab gerade
promoviert.«
    Esmeralda pfiff leise.
    Â»Nicht schlecht. Gratulation.«
    Â»Danke.«
    Theodor richtete sich auf. Für
einen Moment hatte er vergessen, dass er nicht mehr der alte, ratlos in den Tag
hineinstudierende Theodor, sondern der angesehene, gesellschaftlich weitgehend
akzeptierte Jungakademiker Herr Welk, Doktor der Phantastik, war.
    Außerdem hatte er gerade erst das Universum gerettet, und beides
zusammengenommen konnte unmöglich seine Wirkung auf die Frauenwelt verfehlen.
    Â»Und worüber?«, fragte Esmeralda.
    Â»Was?«
    Â»Na, über welches Thema bist du promoviert worden?«
    Â»Ã„hm«, sagte Herr Doktor Welk.
    Esmeralda lachte.
    Â»Das bekannte schratenschamanistische Ähm ?«,
kicherte sie. »Jener mystische Zustand, in dem Alles alles Andere bedeuten
kann und andersrum?«
    Doktor Welk schrumpfte wieder ein wenig zum Studenten Theodor
zusammen.
    Esmeralda öffnete ihren Rucksack, nahm ein uralt aussehendes Buch
heraus und legte es vor sich auf den Tisch.
    Â»War echt schwer zu kriegen«, sagte sie. »Ich musste ewig
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