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Fantastik AG

Fantastik AG

Titel: Fantastik AG
Autoren: Jan Oldenburg
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seinem sehr bescheidenen improvisierten Plan, der
vorsah, dass er wenigstens bis zum Weltuntergang am Leben blieb).
    Er winkte dem Publikum mit seiner Barbarenkeule zu und ignorierte
die bissigen Bemerkungen, die zwischen den Gesangseinlagen aus der Zugmannschaft
kamen. Gegenstand dieser Kommentare war ein übergewichtiges untalentiertes
Gesäß, das von acht sehr undankbar behandelten und – wahrscheinlich gesäßmäßig –
ungleich begabteren Trollen übers Eis geschleift wurde.
    Plötzlich wurde es merklich kälter in der Halle.
    Lautlos besetzten Dutzende, Hunderte von Überwachern die oberen
Tribünen und sämtliche Ausgänge. Gleißende Augenpaare verfolgten jede Bewegung
des Studenten.
    Es sah nicht gut aus für Theodor und seinen bescheidenen Plan.
    Aber noch rührten sich die Schattengestalten nicht. Es schien, als
warteten sie die Vorstellung ab.
    Die Trommeln verebbten und die Trolle brachten den Schlitten zum
Stehen.
    Stille breitete sich aus. Dann hob ein ätherischer Gesang an.
    Alle Blicke richteten sich in die Höhe.
    Von dort, aus dem Dunkel unter der Hallendecke, wurde ein gläserner
Käfig heruntergelassen, in dem eine überirdisch schöne Frau saß, die die Saiten
einer goldenen Harfe strich und dazu mit klarer Stimme eine melancholische
Elfenmelodie sang.
    Es war Königin Hymnia.
    Sie sah unendlich traurig aus, fand Theodor, und ihre großen Flügel
waren auf ihrem Rücken zusammengebunden.
    Während sie sang, senkte sich der Käfig immer weiter, bis er
schließlich auf der Eisfläche aufsetzte und sie verstummte.
    Ominöse Orgelklänge kündigten bevorstehendes Unheil an.
    Ein Scheinwerfer flammte auf, der Student blinzelte in die blendende
Helligkeit.
    Â»Jetzt mach schon«, zischte der nächststehende Troll. »Schwing
deinen vollschlanken Hintern aus dem Schlitten.«
    Trotz der Kälte rannen Theodor Schweißperlen über die Stirn.
    Offensichtlich war dies der Zeitpunkt, da Urk, der Trollbarbar,
seinen großen Auftritt hatte.
    Ungelenk stieg der Student aus dem Schlitten und stand unsicher auf
der Eisfläche.
    Â»Na los, beweg dich«, flüsterten die Trolle.
    Die Orgel nahm das Thema des Trollchorals auf und unterlegte es mit
einem treibenden Marschrhythmus.
    Theodor machte vorsichtig einige gleitende Schritte in Richtung des
gläsernen Käfigs.
    Es ging gar nicht so schlecht, fand er und erhöhte mutig das Tempo.
    Es ging sogar ausgezeichnet!
    Elegant wie ein gedoptes Wunderkind glitt der Student über das Eis.
Offensichtlich war er ein echtes Naturtalent.
    Ob er auch rückwärtsfahren konnte?
    Er konnte.
    Anmutig rauschte er an den Tribünen vorbei, und hätte nicht seine
ernste Aufgabe und eventuell der Weltuntergang vor ihm gelegen, er hätte
Kusshände verteilt.
    Dann fiel sein Blick auf die Orgel.
    Es war eine gewaltige Kirchenorgel, mit turmhohen Orgelpfeifen und
zahllosen Manualen, über die sich eine schattenhafte Figur beugte.
    Fünf Überwacher traten die Orgelbälge.
    Der Schatten an den Manualen griff hingebungsvoll in die Tasten.
    Es war der Schatten des Professors.
    Theodor sah nach unten auf die Eisfläche, und in diesem Augenblick
wusste er, warum er so überraschend gut Schlittschuh fahren konnte.
    Weil nicht er selbst es war, der fuhr, sondern …
    Â»Hallo«, sagte sein Schatten. »Lust auf ein kleines Tänzchen?«
    Die Orgel ging zu einem schnellen Walzer über.
    Die Welt drehte sich.
    Von seinem eigenen Schatten gelenkt, wirbelte Theodor in irrwitzigen
Spiralbahnen über das Eis, pirouettierend und Luftsprünge machend wie ein
rasender Derwisch.
    Â»Bitte aufhören«, ächzte er.
    Das finstere Nichtgesicht seines Schattens erschien vor seinem Blick.
    Â»Aufhören?«, lachte der Schatten. »Wir haben noch nicht mal
angefangen!«
    Der Schatten sprang einen vierfachen Axel, und Theodor, der bislang
nicht gewusst hatte, dass man unter dieser Bezeichnung auch etwas anderes
verstehen konnte als das Resultat eines moralisch fragwürdigen
Gentechnik-Experiments, folgte millimetergenau der Bewegung.
    Applaus brandete durch die Halle.
    Ich … muss … näher an Hymnia … heran …, dachte der Student.
    Er biss die Zähne zusammen und versuchte, die Richtung zu ändern.
    Â»Oh«, sagte sein Schatten, »du
willst näher an unser bezauberndes Goldkehlchen? Warum sagst du das
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