Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fangjagd

Fangjagd

Titel: Fangjagd
Autoren: Colin Forbes
Vom Netzwerk:
Seidler war sich absolut klar, daß er unter der Folter auch von den früheren Lieferungen erzählen würde in ihrer Wut würden sie ihn einfach vor ein Erschießungskommando stellen. Und genau in diesem Augenblick faßte Manfred Seidler den Entschluß, daß dies die letzte Fahrt gewesen sein sollte, falls er auch diesmal mit heiler Haut davonkam. Schließlich hatte er längst genug Geld auf seinem Schweizer Nummernkonto.
    Er zog ein seidenes Taschentuch aus der Innentasche seiner Jacke, forderte Franz zum Stillhalten auf und tupfte ihm den Schweiß von der Stirn. Der Wagen hielt. Im Scheinwerferlicht sah Seidler den wuchtigen Schlagbaum, der ihnen den Weg nach Österreich versperrte.
    „Nein!“ fauchte er. Der alte Trottel hätte beinahe den Motor abgestellt. Der laufende Motor war eine
vertraute
Erscheinung, der die Grenzposten veranlaßte, diesen Wagen nach oberflächlicher Kontrolle passieren zu lassen. Ein Uniformierter mit umgehängter Maschinenpistole trat auf der Beifahrerseite auf den Renault zu.
    Seidler wollte seine Tür öffnen, aber das verdammte Ding war zugefroren. Er kurbelte das Fenster herunter. Ein Schwall eisiger Luft schlug ins Wageninnere und traf sein ungeschütztes Gesicht über dem dicken Wollschal. Der Uniformierte bückte sich, um in den Wagen sehen zu können.
    Es war Jan.
    „Entschuldigung“, sagte Seidler, „die Tür ist leider zugefroren.“
    Er sprach fließend Tschechisch. „Ich wollte Sie bitten, sich die hinten stehende Kiste anzusehen. Die
Holzkiste“,
betonte er.
    „Ich weiß nicht, ob ich den Inhalt ausführen darf. Sollte das verboten sein, nehmen Sie sie am besten mit und werfen das Zeug weg …“
    Jan nickte verständnisvoll. Seine Stiefel knirschten im frischen Schnee, als er beängstigend langsam nach hinten stapfte.
    Seidler zündete sich eine Zigarette an, um seine flatternden Nerven zu beruhigen. Er wagte nicht einmal, zu Franz hinüberzublicken. Er war sich darüber im klaren, daß es psychologisch falsch gewesen war, so nachdrücklich auf die
Holzkiste
hinzuweisen. Wie bei früheren Grenzübertritten ging er aber das Risiko ein, weil er sich darauf verließ, daß einem Menschen gewöhnlich nichts verdächtig erscheint, was ihm vor der Nase steht. Den viel größeren
Karton
neben der Kiste durfte Jan auf keinen Fall durchsuchen.
    Seidler mußte sich mit Gewalt davon abhalten, nach hinten zu sehen, und zog gierig an seiner Zigarette, ohne zu beachten, daß sein Fenster noch immer heruntergekurbelt war. Er hörte, wie Jan die Hecktür des Kombis öffnete. Ein Glück, daß sie nicht auch zugefroren war! Dann scharrte etwas über die Ladefläche: Jan zog die Kiste heraus. Und im nächsten Augenblick – ach wie herrlich war: dieser Knall, mit dem die Hecktür zufiel!
    Am rechten Rand von Seidlers Blickfeld blitzte ein Licht auf.
    Irgend jemand mußte mit einem starken Handscheinwerfer aus dem Abfertigungsgebäude gekommen sein. Seidler starrte angestrengt weiter nach vorn. Die einzigen Geräusche in der Morgendämmerung waren das Brummen des im Leerlauf arbeitenden Motors und das leise Quietschen, mit dem die Scheibenwischer den sanft fallenden Schnee beiseite schoben, so daß zwei ineinander übergehende fächerförmige Flächen frei wurden.
    Stiefel knirschten durch den Schnee, als Jan zurückkehrte. Er hatte sich die Kiste unter den freien Arm geklemmt. Sein Gesicht war ausdruckslos, als er sich bückte, um mit Seidler zu sprechen.
    „Bis zum nächstenmal…“
    „Alles wie üblich“, antwortete Seidler grinsend, während er seine Zigarette im Aschenbecher ausdrückte. Eine kleine Geste, um sich selbst zu beweisen, daß die Sache für diesmal überstanden war.
    Jan verschwand in dem barackenähnlichen Abfertigungsgebäude, und Seidler kurbelte sein Fenster hoch.
    Gott, er war ja beinahe steifgefroren! Bei der schwachen Heizung des Wagens konnte er von Glück sagen, wenn er bis zur Ankunft in Wien wieder aufgetaut war. Der Schlagbaum blieb hartnäckig geschlossen. Franz wollte die Handbremse lösen, aber Seidler hielt ihn zurück.
    „Laß dir Zeit, verdammt noch mal! Wir dürfen keine Ungeduld zeigen …“
    „Die Sache läuft nicht glatt wie sonst. Normalerweise könnten wir längst weiterfahren. Irgendwas ist nicht in Ordnung. Ich spüre es!“
    „Halt’s Maul!“ knurrte Seidler. „Um diese Zeit sind die Brüder doch fast schon eingeschlafen. Sie haben die ganze Nacht Dienst geschoben. An diesem gottverlassenen Übergang passiert nie etwas. Die Grenzer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher