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Fangjagd

Fangjagd

Titel: Fangjagd
Autoren: Colin Forbes
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langweilen sich zu Tode. Sie können nicht mehr gegen ihre Trägheit an …“
    Seidler merkte, daß er zuviel redete. Versuchte er etwa, sich selbst zu beruhigen? Er starrte wie hypnotisiert den waagrechten Schlagbaum an. Das Metallrohr begann zu zittern.
    Großer Gott. Seidlers Nerven flatterten schon wieder.
    Der Schlagbaum zitterte nicht. Er
öffnete
sich. Franz löste die Handbremse. Der Renault fuhr an. Sie hatten die Grenze hinter sich! Auf der anderen Seite mußten sie nochmals kurz halten, während ein österreichischer Zollbeamter Seidlers deutschen Reisepaß ohne sonderliches Interesse durchblätterte. Wenig später fuhren sie durch die Straßen der Kleinstadt Gmünd.
    „Ist dir eigentlich klar, daß du an der Grenze von einem Tschechen photographiert worden bist?“ fragte Franz, als sie Gmünd in Richtung Wien verließen.
    „Was soll das heißen, verdammt noch mal?“
    „Du bist von einem Zivilisten photographiert worden. Ist dir das Blitzlicht nicht aufgefallen? Er hatte eine komische Kamera mit einem riesigen Objektiv …“
    „Von einem Zivilisten?“ Seidler war überrascht. „Bist du dir da ganz sicher? Ich hab’ geglaubt, jemand sei mit einem Handscheinwerfer aus dem Gebäude gekommen.“
    „Nein, das ist ein Blitzlicht gewesen. Ich hab’ den Mann aus dem Augenwinkel heraus beobachtet. Du hast ja die ganze Zeit nach vorn gestarrt.“
    Seidler, ein Mann Ende Vierzig, schlank, braunhaarig, mit knochigem Gesicht, langer Nase und wachsamen Augen, dachte nach. Ihn beunruhigte vor allem der Hinweis auf einen
Zivilisten.
Bisher hatte er an diesem Grenzübergang immer nur uniformierte Posten gesehen. Ja, dies mußte sein letztes Unternehmen bleiben! Er wollte diesen beruhigenden Gedanken eben genießen, als Franz eine Bemerkung machte, die ihn mißtrauisch werden ließ.
    „Ich helf dir nicht noch einmal“, kündigte der Alte mit heiserer Stimme an.
    Mir nur recht!
dachte Seidler, warf dann Oswald aber einen prüfenden Blick zu. Franz starrte nach vorn durch die Windschutzscheibe, doch sein runzliges Gesicht trug einen zufriedenlistigen Ausdruck, den Seidler nur allzugut kannte.
    Franz gratulierte sich im voraus zu irgendeinem Trick, mit dem er ihn aufs Kreuz legen wollte.
    „Das finde ich sehr bedauerlich“, entgegnete Seidler.
    „Ich habe von diesen Abfertigungen an der Grenze genug“, erklärte Franz. „Diesmal hätte ich wetten können, daß der Wachwechsel vorgezogen worden war. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Schichteinteilung geändert wird. Dann ist Jan nicht mehr da, um seinen Schnaps in Empfang zu nehmen und uns durchzuwinken. Statt dessen wird der Wagen durchsucht…“
    Er wiederholte sich, redete zuviel und betonte die angeblichen Gründe für seine Entscheidung allzu nachdrücklich. Und dazu sein verschlagenes Lächeln! Seidler, der selbst listig und verschlagen war, fragte sich, was wohl die wahren Beweggründe des anderen sein mochten. Mit der rechten Hand, die er tief in die Manteltasche geschoben hatte, um sie zu wärmen, berührte er das Springmesser, das er stets in einem eigenen kleinen Fach dieser Tasche bei sich trug.
    Geld!
Franz war unglaublich geldgierig. Doch wer könnte ihm mehr geboten haben als die großzügige Summe, die Seidler jedesmal zahlte? Die Straße nach Wien führte durch einen der einsamsten und kahlsten Landstriche westlich von Sibirien. Die baumlosen Felder auf beiden Seiten der Straße waren flach wie ein Billardtisch – ein verschneiter Billardtisch.
    Es dämmerte eben erst, als sie durch einen der wenigen Orte zwischen Gmünd und der österreichischen Hauptstadt fuhren.
    Horn besteht praktisch nur aus einer Durchgangsstraße mit alten, massiven bäuerlichen Gebäuden zu beiden Seiten.
    Schwere Holztore sichern Hofeinfahrten, die breit und hoch genug sind, um Heuwagen durchzulassen, die hier noch von Ochsen gezogen werden.
    Was konnte Franz nur vorhaben? Seidler, ein Opportunist par excellence, ein Mensch, dessen Herkunft und Charakter so waren, daß er im Leben nicht immer alles so genau nahm, untersuchte das Problem von allen Seiten. Seidler sprach fünf Sprachen: Tschechisch, Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch. Die Sprachbegabung sowie ein dichtes Netz von Verbindungen in ganz Europa und seine angeborene Skrupellosigkeit sicherten ihm ein gutes Auskommen.
    Seidler war 1,80 Meter groß, trug einen Schnauzbart und konnte alle fünf Sprachen fließend. Kurz vor Wien war er mit dem Problem Franz Oswald noch immer nicht fertig.
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