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Familienalbum

Familienalbum

Titel: Familienalbum
Autoren: P Lively
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abgetreten. Es gibt ein breites Himmelbett, vermutlich der Schauplatz der beeindruckenden Fortpflanzungstätigkeit, und einen Wandschrank, in dem die elterliche Garderobe hängt, ein Ort der Dunkelheit und langer, wirklich gruseliger Schatten, in den man einander hineingeschubst und, vom Gekreisch ungerührt, eingesperrt hatte.
    Der Keller. Auf der einen Seite des Hauses führt eine Treppe zu einer schwarzen Tür hinunter. Der Schlüssel steckt im Schloss – ein riesiger Eisenschlüssel. Drehen Sie ihn herum, öffnen Sie die Tür, und Sie stehen in einem muffigen, dunklen Raum halb unter der Erde, der sein Licht von zwei schmutzigen, ebenerdigen Fenstern hoch oben an der Wand erhält. Der Keller hat einen feuchten Ziegelboden; an einer Wand steht ein riesiges Weinregal, in dem das spätviktorianische Großbürgertum einst seine guten Tropfen lagerte. Die übrigen Holzregale sind mit irgendwelchem Müll vollgestopft – schimmligen Pappkartons, rostigen Werkzeugen, einer alten Matratze, Milchflaschen und Marmeladengläsern voller Spinnweben, einem Eimer ohne Griff, einer Gasmaske, einem Vogelkäfig, ein paar Blechtabletts. In einer Ecke steht, wie mit dem Boden verschweißt, ein kaputter Rasenmäher. An einer Wand scheint aus einer großen Holzkiste und einem türlosen Schrank eine Art Unterkunft improvisiert, darüber hängt eine Tafel, mit Kreide in krakeliger Schrift bekritzelt, zwei Spalten mit Namen und Zahlen. Unter der Überschrift STRAHFAUFGABEN steht: Paul 5, Gina 4, Sandra 5 …, unter STRAHFPUNGTE steht: Paul 1, Gina 2 … Clare 16. Hier hat sich offensichtlich etwas abgespielt.
    »Was gibt’s denn da im Keller?«, erkundigt sich Philip, den Blick auf die Tür gerichtet.
    Gina zuckt mit den Achseln. »Schwarze Käfer. Spinnen. Kellerleichen.«
    Nach dem Sonntagsessen – viel zu viel Sonntagsessen – schlendern sie durch den Garten. Lammkeule, Minzsauce, Röstkartoffeln, dicke Bohnen – das volle Programm. Rhabarberstreusel mit Sahne. Käseplatte für alle, die das Vorangehende überlebt haben.
    »Sollen wir nicht lieber bald nach Hause fahren?«, fragt Gina.
    Philip denkt nach. »In gewissem Sinn bist du natürlich schon zu Hause.«
    »Ich rede von unserer Wohnung.«
    Er legt den Arm um sie. »Ich weiß. War nur ein Witz. Trotzdem, du kannst sagen, was du willst, deine Mutter ist eine erstklassige Köchin. Okay, packen wir zusammen. Möchtest du diese Zeitungen mitnehmen? Dein Vater würde sie sicher noch lesen.«
    *
    Philip trug ihr Gepäck nach unten. Gina stand mit Alison und Ingrid in der Eingangshalle. Alison sagte, es sei so nett gewesen, Philip kennenzulernen, und sie müssten bald wiederkommen. Gina sagte, ja, klar, natürlich, das Problem ist nur, dass ich nie weiß, wann ich ins nächste Flugzeug springen muss. Ingrid hatte eine Plastiktüte mit Bohnen, Möhren, Salat und Kräutern vollgepackt: »Den Salat musst du noch heute Abend essen, solange er frisch ist. Die Kräuter stell ins Wasser.«
    Alison rief: »Charles! Sie fahren.«
    Charles tauchte aus seinem Arbeitszimmer auf. Gina trat einen Schritt auf ihn zu, küsste ihn. »Wir brechen auf«, sagte sie. »Der Verkehr. Sonntagabend. Da wollen wir nicht zu spät los.«
    Charles nahm den Kuss entgegen und tätschelte sie am Arm. »War schön, dich mal nicht nur auf dem Bildschirm zu sehen. Nicht, dass ich viel fernsehe – ich lese die Nachrichten lieber in der Zeitung. Aber gelegentlich bekommen wir doch etwas von dir mit.« Er streckte Philip die Hand entgegen. »Schön, dass wir dich kennengelernt haben … äh. Hoffe, ich habe gestern Abend nicht zu viel geredet.« Ein fragender Blick. »In Gesellschaft komme ich manchmal richtig in Fahrt.«
    Philip sagte, ihm habe die Diskussion Vergnügen bereitet.
    Alison wedelte mit einem Blatt Papier vor Gina herum. »Die Adressen, Schatz. Von allen, E-Mail und sonstige, weil du nicht sicher bist, ob du sie hast oder nicht. Roger ist in Toronto an eine neue Klinik gegangen. Und Katies Mann wird gerade nach San Francisco versetzt; sie freuen sich ja so. Clare ist im Moment mit ihrer Truppe auf Japantournee. Sie schickt so hübsche Postkarten. Hier steht nur ihre Pariser Adresse. Sandra hat natürlich ihre Wohnung in Rom.«
    »Und wir glauben, dass es da vielleicht einen Italiener gibt«, sagte Ingrid.
    »Glauben wir das?«, fragte Charles. »Mir hat man nichts davon erzählt. Hat er ehrenwerte Absichten?«
    Alison lachte. »Also wirklich! Sandra ist achtunddreißig. Ich vermute, sie kann selbst auf
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