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Familienalbum

Familienalbum

Titel: Familienalbum
Autoren: P Lively
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nicht. Drei Mahlzeiten am Tag und Zimmerservice nach Wunsch, das schon. Von Charles wird sicher nie verlangt, im Haushalt auch nur einen Finger krumm zu machen. Stolz auf die Verbreitung der eigenen Gene? Vielleicht. Wer weiß, welche dunklen, namenlosen Gelüste in ihm stecken? Ich bin die Letzte, die von sich behaupten würde: Ich kenne meinen Bruder.
    Corinna hält eine Tasse Tee in der Hand, die Alison ihr gebracht hat: »Du bist nach der Fahrt sicher ganz ausgetrocknet, und an den Geburtstagstisch setzen wir uns erst, wenn sie mit der Schatzsuche fertig sind.« Corinna trinkt ihren Tee und sieht zu, wie die Kinder umherflitzen, rein ins Gebüsch und wieder raus. Alison steht mittendrin, klatscht in die Hände und feuert sie an. Ingrid schlendert vom Teichgarten heran, ein Baby auf der Hüfte. Ihre Aufgabe besteht heute offenbar darin, das Baby aus der Gefahrenzone herauszuhalten. Seit wann gibt es dieses Kind? Man hat kaum mitgekriegt, dass wieder eins zur Welt kam.
    Jetzt ist, ebenfalls aus dem Teichgarten, auch Charles aufgetaucht. Er stellt sich neben Alison, während sie ein Mädchen tröstet, das noch keinen Schatz gefunden hat; neben seiner Frau sieht er irgendwie unbeteiligt aus, als hätte das Ganze nicht viel mit ihm zu tun, als hätte er sich nur hierher verirrt. Eigenartigerweise schafft er es trotzdem, in den Mittelpunkt zu rücken; er fordert Aufmerksamkeit, dieser große Mann in Jeans und grün kariertem Hemd, der mit seiner leicht gebeugten Haltung aussieht, als ließe er sich herab zu den kleineren Wesen ringsum, die er durch eine dickrandige Brille bestaunt. Da stehen sie nun, Alison und Charles, inmitten ihres weiten Vorortgartens und ihrer lärmenden Nachkommenschaft.
    *
    Alison driftet und schwebt. Sie driftet mit den Kindern durch den Garten, ihre Röcke umschweben sie, sie schwimmt auf einer Woge des Vergnügens. Auch ihre Gedanken driften und schweben: herrlicher Tag … Sonne … Kinder … Sandra, schubs Katie nicht, es gibt reichlich Schätze für alle … die Sommergeburtstage sind immer die besten, der arme Paul, der mit dem Januar geschlagen ist, daran hätte man vorher denken sollen … Paul geht ein bisschen unter, so viele Mädchen, mit Ginas Freundinnen noch dazu … wird die Limonade reichen? … Werden sie die Pâté-Sandwiches essen? Die sind vielleicht zu pikant … Gina, pass auf, dass auch die Kleinen ein paar Schätze finden; ich glaube, Roger hat noch gar nichts … Sonne … Kinder … ah, da ist Charles.
    Mit Charles neben sich muss Alison ihren Schwebeflug abbrechen. »Sie haben so viel Spaß«, berichtet sie ihm. Aber Charles ist nicht hier, sieht sie, er ist mit geistigen Dingen beschäftigt, die sich in seinem Kopf abspielen, Dingen, denen sie unmöglich folgen könnte. Sie hakt sich bei ihm ein und lächelt. Lächelt und lächelt.
    »Wer sind die ganzen Kinder?«, fragt er. »Diejenigen, die nicht von uns sind?«
    »Das sind Ginas Schulfreundinnen«, erklärt sie ihm. »Nur sechs, zum Geburtstag. Rowena, Sally, Rosie und … hm … Corinna ist hier. Trinkt auf der Terrasse Tee. Geh doch mal zu ihr rüber.«
    Und da kommt Ingrid übers Gras geschlendert, das Baby auf der Hüfte; ihre Haare leuchten in der Sonne. Charles geht. Alison lächelt Ingrid an. »Ist Clare müde?«, fragt sie. »Du könntest versuchen, sie eine Weile in ihr Bettchen zu legen.«
    »Ihr geht’s gut«, sagt Ingrid. »Soll ich bald das Eis aus dem Gefrierschrank nehmen?«
    »Ja, bald«, sagt Alison. »Sie haben jetzt fast alle Schätze gefunden.«
    *
    Sie sitzt oben auf dem grasigen Abhang, der zum Teichgarten hinunterführt, und wartet. Der Schatz ist im ganzen Garten versteckt, goldene und silberne Schokoladenmünzen. Die Kleinen glauben, dass die Elfen den Schatz versteckt haben, aber Gina weiß es besser: Sie hat vorhin gesehen, wie Alison zwischen den Büschen hin und her lief, den Arm zu Ästen hochreckte, bei der Schaukel, bei der langen Bank, bei den Terrassenstufen haltmachte. Die Schatzsuche fängt erst an, wenn Alison »Auf die Plätze – fertig – los!« ruft, deshalb stehen alle reglos da, über den ganzen Garten verteilt. Gina sieht hier und da bunte Kleider aufleuchten, alle lauern dort, wo sie glauben, ein persönliches Jagdrevier zu haben. Drüben beim Rhododendron steht Paul. Er genießt die Party nicht besonders, wie Gina weiß; es ist nicht sein Geburtstag, und er hat keine Freunde hier. Das tut ihr leid, denn sie selbst ist selig, aber schließlich ist heute sie an der
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