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Falsches Blut

Falsches Blut

Titel: Falsches Blut
Autoren: Chris Culver
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meisten Bürogebäuden hatte das IMPD keine Einzelbüros, zumindest nicht für so kleine Lichter wie mich. Stattdessen gab es Großraumbüros mit endlos vielen Schreibtischen– separate Räume würden die Kommunikation bei heiklen Fällen nur hemmen, so das Argument in den oberen Etagen. In Wahrheit waren sie bei der letzten Renovierung bloß zu geizig gewesen, um Zwischenwände einzuziehen. Ich bahnte mir einen Weg zwischen den Schreibtischen und Aktenbergen hindurch.
    Die Befragungsräume sollten beklemmend wirken und den Verdächtigen den Eindruck vermitteln, dass es keine Fluchtmöglichkeit gab. Sie waren winzig und fensterlos, und die Lüftung wurde je nach Tageslaune des zuständigen Ermittlers geregelt. Ein aufmerksamer Beobachter könnte vor dem Eintreten sogar den deutlich gekennzeichneten Expressaufzug bemerken, der auf direktem Weg in die Arrestzellen in den obersten vier Etagen fuhr.
    Ich ging den Korridor entlang zu Befragungsraum drei. Die Tür war geschlossen, doch Olivia Rhodes stand mit einer Tasse Kaffee in der Hand davor und nickte mir zu. Olivia war eine sehr gute Ermittlerin. Vor meiner Versetzung zur Staatsanwaltschaft hatte ich sechs Jahre im Morddezernat gearbeitet, eines davon waren wir sogar Partner gewesen. Soweit ich informiert war, hatte sie sich darum bemüht, Rachels Fall zugeteilt zu bekommen. Ich mochte sie.
    » Ich habe mir schon gedacht, dass du auftauchst « , sagte sie, ging ein Stück den Korridor hinunter und öffnete eine neutrale Tür ohne Beschilderung. » Komm mit. «
    In den zwölf Jahren, seit ich bei der Polizei bin, hat sich bei der Ausstattung der Befragungsräume eine Menge getan. Beispielsweise wurden die berüchtigten einseitigen Spiegel durch Videokameras und Mikrofone ersetzt, die so geschickt im Raum platziert sind, dass kein Mensch sie bemerkt. Jeder Muckser eines Verdächtigen wird festgehalten; von dem Augenblick an, wenn er den Raum betritt, bis er ihn wieder verlässt. Ich habe gehört, dass diese Aufzeichnungen mitunter auf wundersame Weise verschwinden können, wenn der richtige Beamte den richtigen Anreiz bietet. Diese Dienstleistung hatte ich bislang zwar noch nie in Anspruch genommen, fand es aber beruhigend zu wissen, dass ich notfalls darauf zurückgreifen könnte.
    Olivia schaltete einen Flachbildmonitor an der Wand ein. Ein dunkel gelockter Junge in Jeans und blauem T-Shirt, eine Hand mit einer Handschelle an der Wand gefesselt, saß an einem Metalltisch und starrte trübselig vor sich hin. Offenbar war ihm nicht bewusst, dass er gefilmt wurde.
    » Ist das Robert Cutting? « , fragte ich.
    » Robbie « , korrigierte sie. » Er ist der Freund deiner Nichte. Besser gesagt, er war es. Danke übrigens, dass du bei ihren Eltern warst. «
    » Kein Problem « , wiegelte ich ab. » Hat er schon einen Anwalt? «
    » Meyers « , antwortete sie. Das passte. John Meyers war einer der bekanntesten Strafverteidiger in der Stadt. » Er ist schon unterwegs. «
    » Hat der Junge nach ihm verlangt? «
    Olivia zuckte die Achseln. » Gewissermaßen. Nathan Cutting hat ihn angerufen, und Robbie war einverstanden. Ich glaube, wir kriegen den Jungen dran, deshalb werde ich ihm erst auf die Pelle rücken, wenn Meyers hier ist. «
    » Was hast du gegen ihn in der Hand? «
    » Hast du die Fotos vom Tatort gesehen? «
    Ich nickte.
    » Opfer aus gutem Hause, weder Anzeichen eines Traumas noch schwerer Verletzungen. « Sie fasste ihr blondes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. » Ich vermute, sie hat eine Überdosis abbekommen, und er wollte es vertuschen. «
    Ich schüttelte den Kopf.
    » Rachel hatte mit Drogen nichts am Hut. «
    » Bist du sicher? « , hakte Olivia nach.
    » Ja. Sie hätte nächstes Jahr an die Purdue University gehen sollen, wo sie ein Tennis-Stipendium hatte. Auf der Highschool machen sie regelmäßig Stichproben, um sicherzugehen, dass die Kids nicht dopen. Wäre Rachel nicht sauber gewesen, hätte meine Schwester garantiert etwas in der Richtung gesagt. «
    Olivia biss sich auf die Lippe.
    » Wir werden sehen, wie es läuft « , sagte sie. » Warte hier. Ich gehe runter und fange Meyers ab. «
    Olivia verschwand, während ich mich hinsetzte und auf den Monitor starrte. Robbie war dünn und wirkte ein wenig linkisch. Vielleicht täuschte ich mich, aber er schien kein Muslim zu sein. Dass er nicht unserem Glauben angehörte, hatte Rana und Nassir bestimmt nicht sonderlich geschmeckt, was eine Beziehung mit ihm für Rachel aber umso reizvoller gemacht
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