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Falsches Blut

Falsches Blut

Titel: Falsches Blut
Autoren: Chris Culver
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Befragungen noch zum Standardrepertoire gehört. Ich beneidete ihn. Damals mochten die Methoden, Gerechtigkeit zu erlangen, nicht allzu angenehm gewesen sein, aber wenigstens hatten sie ihren Zweck erfüllt.
    » Tatverdächtiger oder Zeuge? « , fragte ich.
    Hensley lachte leise.
    » Wenn ich das wüsste « , sagte er. » Aber aus denen ist ja nichts rauszukriegen. Wenn Sie wollen, kann ich mich aber gern ein bisschen umhören. «
    Ich musste ein Lachen unterdrücken. Keiner war so gut vernetzt im Revier wie Hensley. Wahrscheinlich wusste er ganz genau, wen Olivia zur Befragung gebracht hatte und auch weshalb– wahrscheinlich sogar schon, bevor sie einen Fuß über die Schwelle gesetzt hatte. Nein, Hensley wollte ganz einfach Bares sehen.
    » Nicht nötig « , sagte ich. » Wann war das? «
    » Sind gerade an mir vorbeigegangen. «
    In diesem Fall blieben mir mindestens zwanzig Minuten, um zum IMPD hinüberzufahren. Obwohl ich offiziell den Rang eines Detectives innehatte, war ich dem Büro der Staatsanwaltschaft zugeteilt, dessen Räume sich etwa einen Häuserblock vom Innenstadtrevier entfernt befanden. Ich hoffte, in einem Jahr mein Jurastudium abgeschlossen zu haben und damit der Polizei endgültig den Rücken kehren zu können. Auch wenn ich meine Arbeit noch so liebte, ertrug ich nur eine begrenzte Anzahl an Leichen, wenn ich nicht riskieren wollte, irgendwann komplett durchzudrehen.
    » Danke, dass Sie mir Bescheid gesagt haben, Sergeant « , sagte ich. » Ich bin gleich da. «
    Ich legte auf, bevor Hensley etwas erwidern konnte, und schnappte mein Tweedsakko. Ein dumpfer Schmerz machte sich in meiner rechten Schulter bemerkbar, als ich hineinschlüpfte. Ich war vierunddreißig und eigentlich noch zu jung für Arthrose, aber vor vier Jahren hatte ich bei der Festnahme eines Schwerverbrechers einen Schuss aus einer Jagdwaffe kassiert. Ich hatte noch Glück gehabt; mein Partner hatte eine Kugel in den Hals bekommen und war verblutet, noch bevor der Notarzt ihn stabilisieren konnte.
    Die angestaute Hitze des Tages stieg vom Asphalt vor dem Bürogebäude auf. Meine Kehle fühlte sich staubtrocken und kratzig an. Eine meiner Lieblingsbars befand sich nur einen Block entfernt, und kurz überlegte ich, ob ich auf einen Sprung vorbeischauen sollte. Doch dann entschied ich mich dagegen. Das Revier lag direkt um die Ecke; dort würde ich schon jemanden finden, der mir einen kleinen Schluck zur Stärkung verabreichte.
    Ich machte mich auf den Weg.
    Das Innenstadtrevier befand sich in einem mindestens fünfzig Jahre alten, muffig riechenden Gebäude mit einem weitläufigen Eingangsbereich, dessen weißer Marmorboden von den zahllosen Schuhen, die ihn betreten hatten, wie ein Spiegel glänzte. Im Wartebereich saß ein gut gekleidetes Ehepaar, das mit den Nerven völlig herunter zu sein schien. Wahrscheinlich holten sie ihren Sprössling ab, der mit Alkohol am Steuer erwischt worden war. So etwas war hier an der Tagesordnung. Über kurz oder lang würde ich die beiden garantiert wiedersehen.
    Ich trat an den Empfangstresen, hinter dem Sergeant Hensley mit einer Ausgabe von Sports Illustrated saß. Er ließ die Zeitschrift sinken und blickte mich aus seinen grünen Augen an; Habgier im Blick.
    » Sie sehen echt beschissen aus, Rashid. «
    » So fühle ich mich auch. « Ich griff über den Tresen hinweg nach dem Anmeldeformular und trug meinen Namen und meinen Dienstrang ein: Detective Sergeant Ashraf Rashid. Ich hatte zwar meinen Vater nie kennengelernt, trug jedoch seinen Namen. Er hatte als Geschichtsprofessor an der American University von Kairo gearbeitet und war noch vor meiner Geburt von einem seiner Studenten erschossen worden, dessen Eltern bei schlechten Noten offenbar keinen Spaß verstanden. Wenig später war der Rest meiner Familie in die USA emigriert.
    Ich schob Hensley das Formular zu, zog meine Brieftasche heraus und legte zwei Zwanziger auf den Tresen.
    » Ich glaube, ich habe den Geburtstag Ihres Jungen vergessen. Kaufen Sie ihm doch einen schönen Football von dem Geld. «
    Lächelnd ließ Hensley die Scheine in seiner Tasche verschwinden. » Darüber freut er sich bestimmt « , sagte er. » Detective Rhodes ist mit Robert Cutting in Befragungsraum drei. « Wenn Hensley sich einbildete, dafür einen weiteren Zwanziger zu kassieren, hatte er sich geschnitten. Ich dankte ihm und ging links um den Tresen herum zu den Aufzügen.
    Das Morddezernat sah immer noch genauso aus wie früher. Im Gegensatz zu den
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