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Falsche Zungen

Falsche Zungen

Titel: Falsche Zungen
Autoren: Ingrid Noll
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Nelson Mandela. Mir fiel als Antwort nur ein: »Er ist der Besitzer von Klaras Freund Macho.«
    Die Animositäten zwischen Klara und Oswald nahmen zu. Sie verweigerte ihm den Gehorsam. Ganz ungeniert saß sie jetzt auf dem Sofa, wenn er heimkam. Auf sein empörtes »Runter da!« reagierte sie mit Knurren und Zähnefletschen. Obgleich ich - etwas lasch - Klara zur Ordnung rief, sah ich doch mit heimlicher Freude, daß Oswald Angst vor ihr hatte. Ein geblecktes Hundegebiß hat schon etwas Furchterregendes. Dabei war mir klar, daß ich für meinen Teil vertrauensvoll Hände, Kopf und Herz in Klaras Rachen legen konnte.
    Jens spielte kein Theater. Vor allen Kollegen duzte er mich, während ich durch komplizierte Satzkonstruktionen diesen Punkt vermeiden wollte. Auf dem nächsten Spaziergang nahm er ganz unbefangen meine Hand. Wir wurden aber von unseren eigenen Angelegenheiten durch die Hunde abgelenkt. Macho trieb Klara vor sich her, schnüffelte schamlos an ihrem Hinterteil und versuchte, sie zu bespringen. Klara biß zu, sie wollte nicht. Selbst wenn ich Sexualtherapeutin und nicht Internistin wäre, hätte mich die hektischgeile Aufgeregtheit der Tiere äußerst verlegen gemacht.
    »Ach, du liebe Zeit«, sagte ich, »auch das noch! Sie wird läufig.« Wir mußten beide Hunde an die Leine nehmen, aber Machos Hecheln und Zerren, Klaras Knurren und Schnappen gingen uns ganz schön auf die Nerven. Natürlich konnten wir sie nicht wie gewohnt zusammen in einen Wagen sperren. Aber die vorläufige Trennung war auch nicht richtig, denn der Hausmeister beschwerte sich, daß Macho auf dem Parkplatz wie ein Kojote heule. Jens solle seinen Wagen eine Straße weiter parken.
    Obwohl es mir gar nicht recht war, mußte ich Klara am nächsten Tag zu Hause lassen. Wir nahmen es uns gegenseitig übel. Ich, weil die Hunde den klatschsüchtigen Krankenschwestern gegenüber als Alibi für unsere gemeinsamen Spaziergänge dienten; sie, weil sie es inzwischen für ihr gutes Recht hielt, mich zu begleiten.
    Als ich abends heimkam, saßen ein Bernhardiner, zwei Dackel und ein graumeliertes Hinkebein in unserem Vorgarten. Sie waren unverschämt genug, hinter mir ins Haus hineindrängeln zu wollen. Auch Oswald hatte es schwer, an den Belagerern vorbeizukommen. Klara thronte wie die Kaiserin von China auf seinem Fernsehsessel. Als mein Mann sie anherrschte, schlug sie die Augen zu mir auf und seufzte wie ein Mensch. Ich kann doch nichts dafür! schien sie zu sagen und bequemte sich dann doch, den Sessel zu räumen.
    Am nächsten Tag hatte sich Jens krank gemeldet. Die Sommergrippe grassierte. Es war eine öde Zeit ohne ihn, aber zum Glück kam ich vor lauter Arbeit kaum zum Schnaufen, geschweige denn zum Grübeln. Mittagspausen fanden überhaupt nicht statt, mehrere Kollegen fehlten. Ich kam ziemlich geschafft nach Hause und hatte wenig Lust, die einsame Klara zu bedauern. Unsere Spaziergänge fielen sehr kurz aus - erstens, weil ich zu müde war, zweitens, weil uns meist mehrere zudringliche Rüden verfolgten. Für meine Begriffe hätte Klaras Läufigkeit nach zwei Wochen eigentlich zu Ende gehen müssen, aber so genau wußte ich es nicht.
    Schließlich wurde ich selber krank, wahrscheinlich hatte ich mich bei einem hustenden Opa angesteckt. Jens war gerade wieder im Dienst erschienen, anscheinend war es unser Schicksal, uns zu verpassen. Ich blieb im Bett, Klara lag im Korb daneben. Gelegentlich stieg sie auf die Eichentruhe und schaute zum Fenster hinaus, ob einer ihrer Freier den Sprung über den Gartenzaun schaffte. Im Grunde hatten wir es ganz gemütlich, denn es ging mir -abgesehen von einer unbestimmten kribbeligen Ahnung -nicht schlecht.
    Wir waren ungestört, denn ich hatte es Maria gern gestattet, ihren Freund auf den Kanaren zu besuchen. Ich sah dauernd auf die Uhr. Kurz vor eins lüftete ich das Schlafzimmer, putzte mir die Zähne, kämmte mich auf male-risch-verschlafen, spritzte ein wenig Eau de toilette ins Gelände und zog ein frisches Spitzenhemd an. Dann wartete ich gemeinsam mit Klara. Vergeblich.
    Am nächsten Tag die gleiche Prozedur. Schade, daß das beste Nachthemd nun schon erledigt war. Um zehn nach eins klingelte es, und ich machte die Tür auf. Jens stand mit einem Sträußchen Krankenhausgeranien und Macho an der Leine vor mir.
    »Ich habe gehört, du bist jetzt auch krank ...« Fünf Minuten darauf lag das zweitbeste Nachthemd unter Oswalds Bett.
    Die Mittagspause war viel zu kurz. Als Jens sich anzog, war klar,
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