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Falsche Väter - Kriminalroman

Falsche Väter - Kriminalroman

Titel: Falsche Väter - Kriminalroman
Autoren: Hermann-Josef Schüren
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Zeit gekostet, von jedem im
Kommissariat 1 in Wesel schier Unmögliches gefordert, auch von ihr.
    Etwas strich über ihren Arm, den sie flugs wieder unter die Decke
zog, ein paar Minuten noch, ein Viertelstündchen. Es hatte Tage gegeben, an
denen sie ein Nickerchen am Schreibtisch gehalten hatte, den Kopf auf die
verschränkten Arme gebettet, wie ihre Großmutter es am Küchentisch getan hatte.
Weitermachen, Lösungen finden, nicht glauben können oder wollen, worauf es
hinauslief. Manchmal hatte Karin Krafft sich aus einer fremden Perspektive
betrachtet, die Kommissarin mit den gerauften, ungewaschenen Haaren, die seit
zwei Tagen dieselbe Bluse trug, dieselbe Jeans, die sich die Zähne provisorisch
auf dem Frauenklo mit den Fingern putzte und kritisch im Spiegel die dunklen
Ränder unter den Augen anstarrte. Die hagere Frau, die nur noch von Kaffee und
belegten Brötchen lebte, die ihre Kollegen antrieb, aufmunterte, bis zur
Erschöpfung forderte, sich das Schwinden der eigenen Kräfte nicht eingestehen
wollte.
    Jetzt zog es am Haar, erst vorsichtig, fast unmerklich, dann wurde
Karin einen Deut wacher. Es ziepte unangenehm auf der Kopfhaut. Dieser Geruch,
eine Mischung aus Milch, Honig und voller Windel, stieg ihr in die Nase.
Lächelnd fand sie in die Welt zurück und blickte unvermittelt in das
schelmische Gesicht ihrer kleinen Tochter. Lange Wimpern, ein verklebter,
lächelnder Mund, keine zehn Zentimeter von ihr entfernt. Wann hatte sie diese
Morgenstimmung zum letzten Mal erlebt?
    »Guten Morgen, meine Süße. Na, hat der Papa dich geschickt, damit
ich aufstehe?«
    Maarten, ihr Lebensgefährte,
linste durch den Türspalt, überließ ihr den Moment und fasste seine
schulterlangen Haare zu einem Zopf zusammen. Er wollte sich leise zurückziehen,
was seiner aufmerksamen kleinen Hannah nicht entging. Eilig wuselte sie sich
aus dem großen Bett.
    »Papaaaa!«
    Karin hatte mit Erstaunen darauf
reagiert, dass Hannahs erstes Wort keineswegs »Mama« gewesen war. Mama war eben
unzuverlässig anwesend, seit sie wieder arbeitete und Papa den Hausmann gab. Es
hatte an ihren mütterlichen Gefühlen gezwackt, dass Töchterchens zweites Wort
»Mo« hieß, womit eindeutig ihr großer Bruder Moritz gemeint war. Irgendwann
nach einem frustrierenden Arbeitstag hatte sie mit ihrem Kollegen Burmeester
auf dem Kornmarkt in Wesel mehrere Bier über den Durst getrunken. Der damalige
Fall gewann an fiesen, filigranen Details, proportional dazu erlahmte das
Privatleben der beiden. Sie fürchtete den Verlust sozialer Kontakte, und
Burmeester schreckte vor seinem Kühlschrank zurück, dessen Inhalt ihm wohl
entgegengelaufen käme, wenn er den Mut aufbrächte, ihn zu öffnen. Schon
ziemlich beschickert fiel ihnen die kleine Hannah ein und löste einen
moralischen Absturz aus, der ihnen den Rest gab. Mit dem zehnten Absacker
stießen sie an, Burmeester formulierte mit letzter Aufmerksamkeit einen
Trinkspruch.
    »Auf die Mutter und den
Patenonkel. Beide wird das Kind nie kennenlernen, weil sie Räuber und Gendarm
spielen. Prost!«
    Karin konnte sich ziemlich genau
an den verkaterten Tag danach erinnern.
    Durch die offene Tür drang
verlockender Kaffeeduft. Maarten wusste, was sie aus den Federn locken konnte.
Sie warf beiläufig einen Blick auf den Wecker. Schon fast zehn, stellte sie
erschrocken fest, setzte sich auf, wollte schnell ins Bad und fasste sich
schließlich an die Stirn. Klar, sie konnte schlafen bis zum Abend, wenn sie
wollte, und das noch die nächsten sieben Tage lang. Ihre Vorgesetzte, Frau
Doktor van den Berg, hatte sie nach Hause geschickt, wollte die
Hauptkommissarin erst in der übernächsten Woche wieder an ihrem Arbeitsplatz
sehen. »Dies ist eine Dienstanweisung, sparen Sie sich jeden Einwand. Mit
Volldampf sind Sie zurück in den Dienst gegangen, und jetzt schöpfen Sie mal
wieder Kraft.«
    Sie hatte frei. Karin reckte
sich und schlurfte immer dem verlockenden Duft nach die Treppe hinunter in die
Küche. Hannah saß auf ihrem Tripptrapp und hielt ein Bilderbuch in der Hand,
während der Papa von der Tageszeitung hochschaute.
    »Na, hast du ausgeschlafen?«
    »Ein wenig, ich fühle mich
zerschlagen und ausgepowert.«
    »Hab ich schon in der Zeitung
gelesen. Hauptkommissarin Krafft und das Kommissariat 1 stehen kreisweit mit
ihrer beispielhaften Aufklärungsquote an vorderster Stelle.«
    Er reichte ihr die
aufgeschlagene Seite mit dem Artikel, sie überflog ihn kurz.
    »Ein offizielles Lob, was will
man mehr. Wenn die
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