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Falltür - bitte klopfen

Falltür - bitte klopfen

Titel: Falltür - bitte klopfen
Autoren: Carter Brown
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nochmals
tief Luft. »Eugene Westcott glaubt, eine gesunde Seele könne nur in einem
gesunden Körper wohnen. Dieser läßt sich schaffen und erhalten durch kalte
Bäder, Gymnastik, streng vegetarische Kost, die natürlich ausschließlich in
Erzeugnissen aus Westcott-Aluminium zubereitet wird und im nächsten
>Gemütlichen Laden für die Hausfrau< gekauft worden ist.« Der letzte Satz
entfleuchte mir wie ein halberstickter Schrei. »Eugene Westcott«, keuchte ich,
»ist ein Stück Aluminium!«
    Wir schritten ein paar Sekunden
schweigend nebeneinander her, dann wandte sie mir plötzlich ihr zornrotes
Gesicht zu. »Fast hätte ich’s vergessen«, sagte sie mit sacharinsüßer Stimme.
»Sie sind der Autor, nicht wahr, Mr. Baker?«
    »Ich bin der Autor«, gestand
ich.
    Sie schnaubte. »Ich kann mir
nicht vorstellen, wie Eugene interessiert sein könnte, Ihr — hm — Talent in
Anspruch zu nehmen, wenn er einmal Ihre Meinung über sich erfahren hat.«
    »Wenn ich’s zu Papier bringe,
liest sich alles ganz anders«, versicherte ich ihr. »Dann klingt es hübsch und
nett, sozusagen wie in Aluminiumfolie gewickelt, schön hell und glänzend.«
    »Sie wissen ja gar nicht, wie
sehr Sie Eugene Unrecht tun mit Ihrer Voreingenommenheit«, sagte sie zornig.
»Nach allem, was mit seinem älteren Bruder passiert ist, kann niemand Eugene
Vorwürfe wegen seiner Ansichten und seines Lebenswandels machen.«
    »Sein älterer Bruder?« meinte
ich.
    »Carl«, sagte sie. »Er war nur
zwei Jahre älter, aber Eugene betete ihn an. Carl führte ein Leben, wie auch
Sie es zu bevorzugen scheinen, Mr. Baker. Er frönte allem, was er sich erlauben
konnte: Luxus, Alkohol, Frauen, Rauschgift. Als er dreißig war, erwürgte er ein
Mädchen, nur weil sie sich weigerte, noch ein Glas zu trinken! Die letzten
zwanzig Jahre hat er in einer Anstalt für gefährliche Geisteskranke verbracht.
Und nun verstehen Sie vielleicht besser, weshalb Eugene sich so für Moral
einsetzt?«
    »Ich glaube ja«, sagte ich.
»Aber das Personal hat’s halt trotzdem sehr schwer mit ihm, nicht wahr?«
    »Ich fürchte, ich mag Sie kein
bißchen, Mr. Baker!«
    »Und ich fürchte, ich werde
auch nicht dazu kommen, Sie zu mögen, Mrs. Westcott.« Ich zuckte die Schultern.
»Wo Sie doch verheiratet sind und so.«
    Sie widmete mir einen langen
Seitenblick, dann zuckten ihre Mundwinkel flüchtig. »Bange, Mr. Baker?« fragte
sie mit ihrer tiefen, rauhen, angenehm vibrierenden Stimme.
    »Ich halt’ mich an die
Spielregeln«, antwortete ich und gab mir Mühe, nicht gerade wie ein
Moralprediger zu klingen.
    »Eine Fair Lady hat immer eine
Schwäche für ein edles und reines Herz«, murmelte sie. »Wir wollen mal sehen,
Mr. Baker. Ich sehne mich im Augenblick geradezu danach, ein gutes Werk zu
tun!«
    Der Pfad wurde noch steiler,
bis wir schließlich an die letzten dreißig Meter gelangten, wo der Abhang fast
senkrecht war. Stufen waren roh und kantig in den Fels gehauen. Ich ließ Martha
vorangehen. So kam es, daß ich ständig in Augenhöhe vor mir das rhythmische
Schwingen ihres von schwarzen Shorts umspannten Achterstevens genoß. Und als
wir schließlich oben anlangten, war ich ganz außer Atem, aus zweierlei Gründen.
Und ich war heilfroh, daß das imitierte Schloß nur noch einen Steinwurf weit
entfernt und ohne weitere Steigung zu erreichen war.
    Als wir stehen blieben, um
einen Augenblick zu verschnaufen, kam ein Mann aus der Haustür und näherte sich
gemessenen Schrittes.
    Als er fast heran war, schloß
ich einen Moment die Augen, um die Trugbilder loszuwerden, die sie mir
vorgaukelten, aber sie existierten hinterher immer noch. Ein Mann — wirklich
ein Mann? Das sah doch viel eher wie ein Wesen aus dem Weltall aus! Dabei
verbeugte es sich förmlich vor Martha, als wir uns begegneten, während es mich
völlig ignorierte. Gebaut war der Kerl wie ein leicht geschrumpfter Riese, er
hatte düstere melancholische Züge und ein ratzekahl rasiertes Haupt. Seine
Augen glichen poliertem Ebenholz, und ganz hinten in ihnen schien ein
Höllenfeuer zu glimmen. Gekleidet war er in eine weite, hoch am Hals
geschlossene Tunika aus schwarzer Seide und schwarze Pumphosen in
hochglanzpolierten Kavalleriestiefeln. Er ging die Stufen hinab, und sobald
seine Glatze — die im Licht der Sonne blinkte wie die Schlittschuhbahn im
Rockefeller Center — verschwunden war, starrte ich Martha Westcott an.
    »Wer...«, stotterte ich, »was
war denn das?«
    »Emile, unser Majordomus«,
antwortete sie
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