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Falkenmagie

Falkenmagie

Titel: Falkenmagie
Autoren: Katjana May
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Handy, doch seine Hand war schneller und umfasste meinen Arm mit überraschend festem Griff. Gleichzeitig stieß er etwas in einer fremden, mir völlig unverständlichen Sprache hervor. Ich hätte nicht einmal annähernd einschätzen können, aus welchem Land oder Kulturkreis sie stammte.
    »Ich verstehe Sie nicht«, erklärte ich deshalb betont langsam. »Brauchen Sie Hilfe? Soll ich jemanden anrufen, einen Arzt, einen Freund?«
    Er achtete nicht auf meine Worte, verstand sie offenbar ebenso wenig wie ich ihn. Stattdessen versuchte er aufzustehen, ohne dabei meinen Arm loszulassen. Ich wusste immer noch nicht annähernd, was ich von all dem halten sollte.
    »Vielleicht schlafe ich noch«, mutmaßte ich. »Oder ich habe mir den Kopf gestoßen, liege auf der Intensivstation und alle um mich herum warten darauf, dass ich wieder aufwache, während mein Geist durchgeknallte Parkträume spinnt. So muss es wohl sein. Das würde alles erklären.«
    Der Mann konnte mich ja sowieso nicht verstehen, also war es egal, was ich sagte, solange es nur mich selbst beruhigte.
    Ein Jogger hastete an uns vorbei, der erste andere Mensch, den ich sah. Er warf uns nur einen flüchtigen Blick zu und ich baute ihn einfach in meine These mit ein. Nun, da ich das alles als überaus realistischen Fiebertraum erkannt hatte, fing mein Unterbewusstsein an, ihn auch noch mit anderem Personal zu bevölkern.
    Der Druck um meinen Arm verstärkte sich und zwang mich dazu, meine Aufmerksamkeit wieder auf den Fremden zu richten, der sich inzwischen zu voller Größe erhoben hatte und mich fast um einen Kopf überragte. Sein Hemd war weit ausgeschnitten und ließ mich einen Blick auf etwas erhaschen, das er darunter trug – etwas, das an einem Lederband um seinen Hals befestigt war. Etwas, das schwach und rötlich schimmerte.
    Er folgte meinem Blick und schob es hastig so unter den Stoff, dass ich es nicht mehr sehen konnte. Dann schien er sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Die Luft fühlte sich leicht flimmerig an – schon wieder? -, doch ansonsten passierte nichts.
    »Sie könnten mich loslassen«, schlug ich vor, »das wird mir langsam unangenehm. Und ich möchte gern nach Hause, da ist es dann doch schöner, wenn ich schon herumfiebern muss.«
    Seine Antwort verstand ich nicht – natürlich nicht -, aber so langsam kehrten meine Lebensgeister zurück, und damit auch ein Rest Verstand. Gut, nichts von dem, was hier geschah, konnte ich auch nur ansatzweise begreifen. Aber das bedeutete nicht, dass ich den Rest des Tages im Schraubzwingengriff eines fremden Mannes verbringen musste, der mir Worte an den Kopf warf, deren Bedeutung ich nicht mal erahnen konnte. Was zu viel war, war einfach zu viel.
    Ich hieb ihm wütend auf die Finger und überrascht ließ er tatsächlich los. Ich drehte mich um und stapfte davon und auch, wenn die Versuchung groß war, sah ich mich nicht mehr nach ihm um.
    Zumindest so lange nicht, bis ich die Schritte hörte, die eindeutig hinter mir herkamen.
    Das konnte ja lustig werden. Hatte ich jetzt einen Fan? Einen Stalker? Ich atmete tief durch und drehte mich um, die Hände zu Fäusten geballt. Noch gab es keinen Grund, sich aufzuregen, vielleicht hatten wir ja auch nur denselben Weg. Vielleicht war das auch gar nicht der Mann von eben.
    Und vielleicht bestand der Mond aus Käse.
    Ich seufzte tief und vergewisserte mich, dass die Straße, falls nötig, in Hörweite war. Dann verschränkte ich die Arme vor der Brust und schaute dem braungekleideten Mann entgegen, der ungerührt weiter auf mich zusteuerte – auf mich, nicht auf den Parkausgang.
    »Was ist denn noch?«, fragte ich gereizt.
    Er schien in Gedanken weit fort zu sein, doch sein Kinn verriet Entschlossenheit, als er direkt vor mir stehen blieb. Meine Güte, wenn das hier alles nicht so verrückt gewesen wäre, hätte ich ihn wirklich attraktiv gefunden.
    Gut, das musste wohl auch so sein, wenn das hier eine Traumfantasie war, die ein gnädiges Unterbewusstsein für mich erschaffen hatte. Aber warum konnte er dann nicht wenigstens auch so reden, dass ich ihn verstand? Denn die Worte, die er jetzt wieder an mich richtete, waren für mich ganz klar ebenso verwertbar wie Hundegebell oder ein Eulenruf.
    Ich bewegte mich keinen Zentimeter und starrte ihm immer noch mit gerunzelter Stirn entgegen, während er inzwischen versuchte, seiner Stimme einen beruhigenden Klang zu geben. Eine Taube ließ sich in unserer Nähe nieder und begann, unter einer Bank nach Krümeln
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