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Falkenmagie

Falkenmagie

Titel: Falkenmagie
Autoren: Katjana May
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sicher nie wieder meinen Fuß setzen würde. Aber nichts davon zeigte sich, so sehr ich es mir auch herbeiwünschte.
    Stattdessen standen wir hoch oben auf dem Turm einer Burg, von einem schmalen Wehrgang umgeben. In der Mauer hinter uns gähnte eine dunkle Öffnung, die in ein Inneres weiterführte, das ich nicht kennenlernen wollte. Und hinter den Zinnen von Frankensteins Schloss fiel das Bauwerk in Tiefen ab, in denen nur Nebel waberten.
    Nebel, nichts weiter – keine Bäume waren zu sehen, keine Sonne, kein Licht, nicht einmal ein paar Rabenvögel, wie man sie sonst um alte Gemäuer trifft. Die einzigen lebenden Wesen in dieser surrealen Welt schienen mein Begleiter und ich zu sein.
    Die Schritte hinter uns stellten unbarmherzig klar, dass das allerdings ein Irrtum war.
    »Es tut mir leid«, brachte der Mann neben mir noch hervor, wieder deutlich in meiner Sprache. Dann sackte er erschöpft zusammen, während harte Hände nach mir griffen und mich der dunklen Öffnung entgegenschoben, die mich erbarmungslos schlucken würde.

Z
wei
    Der Raum, in den sie mich brachten, war nicht weit entfernt, nur ein Stockwerk tiefer die Treppe hinab, deren Stufen ich zwar ertasten, aber in der Dunkelheit nicht sehen konnte. Wer mich dorthin schob und zerrte, konnte ich ebenfalls nicht erkennen – ich nahm nur diese Hände wahr, ein Wispern, ein Tuscheln, Bewegungen, Schritte auf Stein und Rascheln von Kleidung. Und dann waren sie plötzlich fort und ich fand mich allein in einem Turmzimmer wieder, während die Tür von außen hart zugezogen wurde.
    Ich widerstand dem Drang, auf den Eingang zuzustürmen und gegen das dicke Holz zu hämmern – als ob das jemals einen Kerkermeister beeindruckt hätte! Die Energie konnte ich besser in Pläne stecken, die mich weiterbringen würden. Und dazu musste ich mich erst einmal ein wenig umsehen.
    Der Raum war nicht besonders groß und enthielt ein Bett, das sogar recht bequem aussah. Es hatte vier Pfosten, die vielleicht einmal einen Himmel getragen haben mochten, und war mit Schnitzereien verziert. Die Kissen und Decken darin waren sauber, soweit ich das beurteilen konnte, und auf dem Fußboden davor lag ein Fell, das wohl versuchen sollte, den steinernen Untergrund behaglicher zu machen.
    Nur, dass es von keinem Tier stammte, das ich kannte.
    Bei allen Himmeln, wo war ich hier nur gelandet?
    Ich vermied es, das Fell zu berühren, und umrundete das Bett, um zum Fenster dahinter zu gelangen. Draußen ließ sich nicht mehr erkennen als vorhin auch: Tiefe, Nebel und grundlose Leere.
    Stirnrunzelnd setzte ich mich auf die Truhe, die unter der Öffnung stand, und überdachte meine Situation. Das Ganze erschien mir so unwirklich, dass ich nicht einmal Angst empfinden konnte. Genau genommen wusste ich überhaupt nicht mehr, was ich noch denken und fühlen sollte, was von allem hier real war und was einfach nicht wahr sein konnte, und deshalb hielt ich mich jetzt ganz heraus und beobachtete das Geschehen wie einen Film, in dem ich zufällig auch Darstellerin war. Und wenn ich schon darin mitspielte, würde es auch ein Happy End geben, oder? Denn sonst würde ich mich für so etwas doch gar nicht erst hergeben.
    Ein Klopfen an der Tür unterbrach meine wirren Gedanken und das war vielleicht auch ganz gut so, ehe ich mich noch völlig verstrickte. Aufmerksam beobachtete ich, wie sich die Tür langsam öffnete und eine kleine, gebückte Gestalt über die Schwelle trat, ohne auf ein »Herein« zu warten.
    Mein Besucher besaß die Größe eines Kindes und trug einen grünen Kapuzenmantel, doch als er die Kopfbedeckung zurückschlug, war er eindeutig ein Mann. Große Ohren wuchsen an den Seiten eines Schädels, der in unregelmäßigen Abständen wirre Haarbüschel aufwies, als wäre man mit einer Schere kreuz und quer darüber gefahren. Die Augen unter einer faltigen Stirn leuchteten rot – rot! - und darunter ragte eine knochige Nase über einen schiefen Mund, der zu etwas verzogen war, das wohl ein Lächeln darstellen sollte. Die Haut des Wesens war grünbraun und es ging nicht gebeugt, sondern hatte einen Buckel. Lange Fingernägel zeigten sich, als es eine Hand an sein Kinn legte, während es mich interessiert betrachtete.
    Ich versuchte mir nichts von meinem Durcheinander anmerken zu lassen und starrte einfach nur zurück, bis der gnomenhafte Mann zufrieden vor sich hin nickte.
    »Gut«, sagte er mit Reibeisenstimme. »Dann hat es also wirklich begonnen. Endlich, nach so langer Zeit …« Er
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