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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd
Autoren: Susanne Betz
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herausgestreckten Zunge
Friedrichs im Rücken davon. Allein ging er in den Hof und die Stufen
hinauf zum Küchenbrunnen. Hier, umgeben von einem soliden
schmiedeeisernen Gitter, stand an schönen Tagen sein Lehnstuhl. Er ließ
sich fallen, streckte die Beine von sich und schlief augenblicklich ein.
    Friederike wusste, dass der König ihrer
Gouvernante, Fräulein von Montbail, Geld für den Fall zugesteckt hatte,
dass sie nicht gleich der Ehe mit dem Markgrafen zustimmte und
überredet werden musste. Merkwürdigerweise vergaß der König jedoch, die
kleine Summe zurückzuverlangen. Friederike konnte sich deshalb von ihr
einen Dukaten erbetteln. Der Hof hatte mit dem Ende des Sommers das
feuchte Schloss Wusterhausen mit seinen engen Dachkammern und kleinen
Fenstern verlassen, das mehr einem Kastell glich und noch dazu als
unbeheizbar galt – ein Ort, an dem die Nähe des königlichen
Vaters noch schwerer zu ertragen war.
    Zurück im Berliner Stadtschloss, besserte
sich auch die Laune der Mutter wieder. Jede Nacht spielte sie mit ihren
Damen und Herren Tokkategli und sammelte Schulden und Schmeicheleien.
Friederike wurde von ihr geschnitten. Die Mutter verzieh ihr nicht,
dass sie so dumm gewesen war, der Heirat mit dem Ansbacher Bauerntölpel
zuzustimmen. Einmal, als ihr Friederike über den Weg lief, hielt sie
das Mädchen am Ärmel fest und rief ihren Hofdamen mit beißendem Spott
in der Stimme zu: »O kommen Sie, kommen Sie, erweisen Sie der Hirtin
von dreitausend Schafen und vierhundert Ziegen Ihre untertänigste
Aufwartung.«
    Friederike versank zitternd in einen tiefen
Knicks. Dabei fiel ihr einer der papierenen Lockenwickel aus dem Haar
und wurde von einem Luftzug über den Boden gefegt. Friederike wollte
sich gerade bücken, da zürnte ihre Mutter aufs Neue: »Lassen Sie nur,
dergleichen werden Sie in Ansbach ohnehin nicht brauchen. Die
Bauernmädchen dort flechten ihre Haare.«
    Die Königin zog ihre älteste Tochter Wilhelmine aus dem
kichernden Tross und stellte sie Friederike gegenüber wie eine Statue.
    »Sehen Sie sich Ihre unglückliche Schwester genau an, und
hüten Sie sich davor, Ihre Mutter so zu beschämen wie sie. Sie sind zur
Königin von England bestimmt! Denken Sie immer daran.«
    Wilhelmine im dottergelb wippenden Reifrock, tadellos gepudert
und geschminkt, lächelte ihre Mutter auf das Liebenswürdigste an.
    »Ich werde erst vollkommen glücklich sein, wenn ich meiner
lieben Frau Mama am Hof von St. James eigenhändig die Schokolade
servieren darf.«
    Wilhelmines Blick auf Friederike war noch demütigender als der
der Mutter, weil sie zuckersüß lächelte.
    Friederike verharrte weiter im Knicks, schwindlig und benommen
von der öffentlichen Erniedrigung. Als sie sich schließlich wieder
aufrichtete, streifte ihre Hand den harten Dukaten in der Rocktasche.
»Das ist gut«, flüsterte sie zu sich selbst, »das ist gut.« Sie biss
sich auf die Unterlippe und fing erst an zu weinen, als die Königin am
Ende des Ganges verschwand.
    Friederike eilte die Treppen hoch, einen langen Flur entlang
und ließ dabei das Dukatenstück nicht los. Allein dafür, so dachte sie,
hat sich die Verlobung gelohnt.
    Am meisten Geld kostete es sie, den Kutscher
zu bezahlen, der sie und die Montbail drei Tage später bei Einbruch der
Dunkelheit zum ›Weißen Elephanten‹ fuhr. Schließlich drohte ihm
Kerkerhaft, sollte er erwischt werden. Friederike war noch nie so tief
in die engen, nach Kot stinkenden Eingeweide der Stadt vorgedrungen.
Natürlich hatte sie auch noch nie ein Gasthaus betreten.
    »Flöhe gibt es auch im Schloss genug, die fangen wir uns hier
nicht extra ein«, sagte das Fräulein von Montbail und zog Friederike,
bevor sie die Tür öffnete, die dunkle Haube tief ins Gesicht, damit ja
niemand sie erkannte.
    In der Schankstube schwappte ihnen laute
Heiterkeit entgegen. Wildfremde Menschen lachten und klatschten
einander auf die Schultern. Männer legten, wie Friederike fand,
ungemein hübsch aussehenden Mädchen den Arm um die Hüften. Andere
klopften sich johlend auf die Schenkel, hoben große Krüge vor ihre rot
schwitzenden Gesichter und prosteten sich gegenseitig zu. Von Minute zu
Minute nahm das Brausen und Gedränge zu. Diese Stimmung, in der sich
selbst Hunde und Kinder fröhlich tänzelnd durch die überfüllten
Stuhlreihen schoben und man sie und die Montbail wie alte Freundinnen
willkommen hieß, erfüllte Friederike mit einer unbekannten, nervösen
Freude. Zu gern hätte sie eines der
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