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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd
Autoren: Susanne Betz
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jemand berichten, was dort
demonstriert wurde. Berlin war kein Pflaster für Wissenschaftler. Für
sie war kein Geld da, und der Vater beschimpfte sie als nutzloses
Federvieh.
    Ab März begann sie, die Wochen, bald auch die Tage bis zu
ihrer Hochzeit zu zählen. Die Königin rätselte über den Schmuck, den
Friederike bekommen würde. Immerhin stammte die Mutter des Ansbacher
Erbprinzen aus dem Württemberger Herrscherhaus. Der Vater und sein
Minister, Grumbkow, erteilten ihr stundenlang Instruktionen, wie sie in
Ansbach die Leute bespitzeln und Preußens Einfluss stärken sollte.
Friederike hörte geduldig zu, froh darüber, dass die Flucht kurz
bevorstand.
    Am 23. Mai 1729 traf der junge Ansbacher mit
seinem Gefolge am Berliner Hof ein. Siebzehnjährig, breitbeinig,
rotgesichtig stand er da, lachte und redete. Auch wenn es nichts zu
lachen oder reden gab. Artig übergab er Friederike Schmuckschatullen,
in denen auf dicken Samtkissen tatsächlich Armbänder, Brustschnüre,
Perlenketten und Ringe aus Ansbacher, aber auch Württemberger Besitz
glitzerten. Der König freute sich mehr als alle anderen und drückte mit
all der Kraft, mit der er sonst Schläge verteilte, die Köpfe der
Verlobten zusammen. Er schleppte den zukünftigen Schwiegersohn zu
stundenlangen Musterungen seiner Truppen, so dass Friederike den jungen
Mann nur wenig sah. Einmal aber, als sie eine Weile zusammenstanden, um
sich von Antoine Pesne porträtieren zu lassen, und der Hofmaler kurz
das Zimmer verließ, nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und sagte: »Habt
Ihr schon gehört, dass es Folianten gibt, die den menschlichen
Körperbau und seine Eingeweide detailgetreu abbilden?«
    »Hoffentlich sind recht hübsche Frauenzimmer dabei«, gab
Charles lachend zurück und schüttelte kräftig seine Arme und Beine aus,
denn das lange Stehen und langweilige Abschreiten der Truppen bekam ihm
gar nicht. Seine blauen Augen sprühten vor Ausgelassenheit. Das
Zusammensitzen mit seinem Schwiegervater und dessen Kumpanen im
Tabakskollegium gefiel ihm, da kamen seine Witze gut an, und der König
brummte zufrieden, weil der Ansbacher viel Bier vertrug.
    Die Hochzeit wurde für Berliner Verhältnisse
pompös gefeiert, und die Ansbacher Markgräfin übertrug ihrem Sohn noch
während seiner Abwesenheit die Regierungsvollmacht. Mitte Juni reisten
die Jungverheirateten mit einem großen Tross ab. Neben all dem Bargeld
brachte Friederike fünf Dörfer im Fränkischen mit in die Ehe. Besonders
aber freute sich der Markgraf über die zwölf großen Hetzhunde, die ihm
der König für die Jagd geschenkt hatte und die er abwechselnd in seiner
Kutsche mitfahren ließ. Friederike trug während der achttägigen Reise
nach Ansbach denselben Unterrock wie im ›Weißen Elephanten‹. Er zeigte
zwei dunkelbraune Flecken, weil sie damit das Blut vom Oberarm des
Huronen gestillt hatte. All ihre Aufzeichnungen über die Zahnbestände
der Berliner Schlossbediensteten sowie vier ihrer besten Hirsch- und
Schweineknochen nahm sie in Strümpfe eingewickelt ebenfalls in ihre
neue Heimat mit.

2
    J an Kersmackers holte Louise vorsichtig aus
dem kleinen Holzverschlag, in dem sie seit ihrer Abreise aus dem
Falkenhaus des dänischen Königs in Bessested mit kurzem Zwischenstopp
in Berlin gehockt hatte. Er sah sofort, dass es ihr schlecht ging. Was
ein Skandal war, denn Kersmackers wusste, dass sie vom preußischen
König extra mit dem zweiten Namen seiner Lieblingstochter benannt
worden war, die er nach Ansbach verheiratet hatte. Mit diesem kostbaren
Vogel wollte er ihr einen zärtlichen Gruß schicken.
    Die junge Markgräfin begeisterte sich bislang allerdings nicht
sonderlich für Jagdfalken, was Kersmackers sehr bedauerte. Umso mehr,
so nahm er sich vor, wollte er sich mit ihrer Namensschwester Mühe
geben. Vielleicht konnte er damit das Interesse der Markgräfin wecken.
    Kersmackers seufzte. Sein Wunsch würde wohl noch lange nicht
in Erfüllung gehen, denn Louise war entsetzlich mager und hässlich.
Niemals hätte er es gewagt, sie der Markgräfin in diesem Zustand unter
die Augen zu bringen. Ihr Brustbein stand so weit vor, dass er es
zwischen seinem Daumen und Zeigefinger wie einen Griff halten und
Louise daran ziehen konnte. Ein Blick auf den Boden ihres Reisekäfigs
bestätigte seine Befürchtungen. Was sonst in fest gerollten, sämig
weißen, mit Schwarz durchsetzten Abschnitten aus den Eingeweiden dieser
Vögel quoll, schwamm hier als hellgrüner Rotz inmitten einer farblosen
Lache.
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