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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd
Autoren: Susanne Betz
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unter das Fleisch. Ganz zum
Schluss ließ er das noch warme Blut einer weiteren frisch
geschlachteten, allerdings alten Taube in das saftige Gemenge tropfen.
Wenn etwas einem geschwächten, ausgezehrten Falken guttat, dann dieses
Futter. Kersmackers hatte die Zubereitung von seinem Vater gelernt, der
sie wiederum aus der alten Heimat kannte. Nicht umsonst galten die
flämischen Falkner als die besten Europas. Der Meisterfalkner ging in
die Hocke und hielt Louise mit der rechten Hand ein vor hellroter Tunke
triefendes Stück Fleisch vor die Fänge, wobei er mit seiner linken Hand
ihr rechtes Bein ein klein wenig anhob. Dabei schnalzte er leise und
zärtlich mit der Zunge. Als das Tier nicht reagierte, zwickte er es
leicht in den Fuß. Das half. Der Falke bückte sich, nahm das
Fleischstück auf und kröpfte.
    Als er am nächsten Morgen feststellte, dass
Louise noch lebte, wurde ihm froher zumute. Noch bevor er frische
Atzung brachte, richtete er ihre Kammer ordentlich her, ohne dabei
Licht hereinzulassen. Er ließ sich ein paar Eimer mit rotem Sand
bringen und verteilte ihn selbst auf dem Boden. Nachdem er ihn
ordentlich festgestampft hatte, besprengte er ihn gleichmäßig mit
Wasser. Dann machte er sich daran, Louises Futter zu bereiten. Wieder
brauchte es viel Geduld und Zeit, bis die gesamte Tunke aus Blut,
Eidotter und Taubenfleisch vertilgt war.
    Am Nachmittag fand er die erste frische Losung. Wieder
schmierte ein pistaziengrüner Klumpen auf dem dunklen Boden, doch
diesmal waren die Ausscheidungen kompakter geworden. Ein Zeichen dafür,
dass sie sich zumindest erholte. Ob ihre Lungen das verdorbene Aas
überstehen würden, war freilich eine andere Sache.
    Kersmackers hatte Herrn Johann Göbel, dem
Falkensekretär, gewissenhaft über Louises Ankommen und ihren Zustand
Bericht erstattet. Dieser gab Abschriften weiter an den Geheimen Rat
und Obristfalkenmeister von Pölnitz am Ansbacher Hof, denn schließlich
handelte es sich um ein Geschenk des Königs. Der Flame verschwieg
nichts. Die schlechte Versorgung durch die Preußen beschrieb er sogar
besonders deutlich, was ihm, wie er hoffte, mehr nützen als schaden
sollte, denn oft genug hatte er den Markgrafen derb über seinen
Schwiegervater, den preußischen König, spotten hören. Auch über die Ehe
mit der jungen Prinzessin hörte man wenig Erfreuliches. Der
Falkenmeister erinnerte sich gut, wie sie mit ihrem Tross vor zwei
Jahren nach Ansbach gekommen war. Er selbst hatte lange am Straßenrand
im Staub gestanden und die Kutschen und Wagen betrachtet, die in die
Residenzstadt rumpelten.
    »Fünfzig Mann berittene Soldaten mussten den Zug unserer
Markgräfin begleiten«, hatte er den anderen Männern in Triesdorf
berichtet, »weil die dreihunderttausend Taler bare Mitgift in den
Ledersäcken so klapperten, dass die Banditen im ganzen deutschen Reich
es hören konnten.«
    Diese Heirat war zweifelsohne der große Coup für seinen
Markgrafen gewesen. Allerdings wartete der immer noch darauf, dass der
Bauch seiner Gemahlin anschwoll.
    Den einfachen Leuten gefiel die junge
Markgräfin. Kersmackers hörte sie ihre Feingliedrigkeit und ihre großen
blauen Augen loben. Man betete für sie und auch dafür, dass sie bald
schwanger würde. Allerdings kam sie ihnen mit der Zeit doch etwas
merkwürdig vor.
    Ein paar Monate nach ihrer Ankunft in Ansbach ließ sie sich in
die Dörfer fahren und vermaß eigenhändig die Kinder, deren Mütter und
Großmütter. Noch nie zuvor hatte eine Ansbacher Fürstin die stinkenden
Bälger der Häusler und Kleinbauern, deren Haut mit Ausschlägen und
Ungezieferbissen überzogen war, berührt. Diese Markgräfin aber schaute
ihnen in die Ohren und in den Mund und notierte die Länge von Nase,
Brustbein und Unterarmen. Weil sie Zuckerstücke verteilte, machten die
Armen mit. Die Bürger und Großbauern aber schüttelten missmutig die
Köpfe. Eine solche Königliche Hoheit verschenkte ihre Würde, raunten
sie.
    Dann, vor etwa einem halben Jahr, belauschte
Kersmackers zufällig den Herrn von Reitzenstein, von dem man ja wusste,
dass er der engste Vertraute des Markgrafen war, wie er dem alten Herrn
von Eyb eine ganz ungeheuerliche Geschichte erzählte. Angeblich hatte
die Markgräfin an einem warmen, windigen Julitag in Lehrberg ihre
Kutsche anhalten lassen, weil gerade in diesem Moment eine am siebten
Kind verstorbene Frau aus ihrer Hütte getragen wurde. Flugs gab die
Fürstin dem Witwer ein Goldstück und wollte dafür die noch warme
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