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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd
Autoren: Susanne Betz
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Sie hatten ihr in Berlin also verdorbenes Aas gegeben.
    Als er Louise mit schnellem Griff die Haube abnahm, suchte ihr
Blick kein Ziel. Auf ihren Augen, die eigentlich wie Holunderbeeren
nach einem weichen Sommerregen hätten glänzen sollen, lag ein trüber
Schleier. Sachte drehte der Falkner den starren Körper, in dem das Herz
ängstlich pulste. Der Perlmuttschimmer, den der Markgraf so sehr an
diesen Falken aus dem eisigen Norden liebte, war nicht zu sehen. Aber
Kersmackers erkannte sofort die ungewöhnliche Reinheit des Gefieders.
Die Unterseite war durchgängig weiß. Erst da, wo sich die Brust nach
oben verjüngte, tauchten ein paar graubraune Einsprengsel auf, zufällig
gestreut wie Pfefferkörner. Die Flügelspitzen waren schwarz. Dass
mehrere Federn angebrochen waren, störte ihn wenig. Das ließ sich
richten.
    Jetzt erst löste Kersmackers den Prell aus weichem Hundeleder,
der, wie er sofort anerkennend registrierte, von bester Qualität war,
er stammte wohl noch vom dänischen Hof. Auch als er die dünne Fessel
ganz abzog, hockte Louise plump und reglos in seiner Hand, nicht einmal
ihre schuppigen Fänge zuckten. Sie waren von deutlich blaugrauer
Wachshaut überzogen und bestätigten deshalb Kersmackers erste
Schätzung, dass es sich bei dem königlichen Geschenk um einen jungen,
wahrscheinlich erst zwölf oder vierzehn Wochen alten Vogel handelte.
    So standen sie eine Weile zusammen da, und Kersmackers
überlegte, in welcher der Kammern er Louise unterbringen sollte. Auf
seinem runden fleischigen Gesicht ruhte eine gewisse Andacht, denn
Kersmackers war ein Mann, der seine Gedanken gern gründlich zu Ende
führte. Ein kühler Morgenwind zauste sein hellblondes Haar, das er
vergessen hatte, hinten in den Beutel zu binden, weil die Kutsche mit
Louise noch vor Sonnenaufgang auf den Triesdorfer Falkenhof gerollt war.
    In der Stille dieser frühen Stunde schreckte ihn das erste
röchelnde Pumpen sofort auf. Louises zerzauste Brust hob und senkte
sich schwer. Dann verharrte sie wieder stumm und erschöpft vom
Atemholen, und in Kersmackers Handfläche war nur der hüpfende, schnelle
Rhythmus ihres Herzschlags zu spüren.
    Aber das eine Mal war genug gewesen. Er, der sich seit fünf
Jahren um die Beizvögel der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach kümmerte
und vor Kurzem wegen seiner Geschicklichkeit vom Falkeniersknecht zum
Meisterfalkner aufgestiegen war, wusste Bescheid. Ihre Lunge hatte
Schaden genommen. Kersmackers konnte sich gut zusammenreimen, wie alles
gekommen war.
    Den ganzen September über, bis in den
Oktober hinein hatte im Norden wie im Süden eine ungewöhnliche Wärme
den Himmel aufgebläht. Nachts zuckten Blitze über die sumpfigen Wiesen
entlang der Altmühl, aber nur wenige Male entlud sich ein Gewitter mit
Regen. Die Bauern freuten sich über das gute Erntewetter. Nur die
pralle Haut der Zwetschgen platzte an den Bäumen auf, und aus dem
honiggelben Spalt tropfte ihr Saft, noch bevor man sie herunterholen
konnte. Auf dem Hofplatz hinter dem erst vor Kurzem fertig gebauten
roten Falkenschloss, um den sich die Verschlage für die Tauben, das
Schlachthaus und die Hütten und Gehege für die Falken, Milane, Reiher
und Krähen gruppierten, flog schon ab der Mittagsstunde wieder feiner
Sand auf, obwohl man ihn erst morgens sorgfältig gesprengt hatte. Die
Männer achteten peinlich genau darauf, dass die kostbaren Gerfalken
immer im Schatten standen und vor allem oft baden konnten.
    Louise aber, so überlegte Kersmackers, hatte man
wahrscheinlich tagelang in der aufgeheizten Kutsche sitzen lassen,
während der Hundsfott von ihrem Begleiter in Schenken soff oder hurte.
Er trug sie in eine kühle abseitige Kammer, die derzeit von keinem
anderen Falken bewohnt wurde, und stellte sie auf ein mit festem,
reinem Leinentuch ummanteltes Reck. Die Läden ließ er geschlossen, denn
verängstigt und elend wie sie war, würde ihr Dunkelheit guttun.
    Dann machte er sich schnell an die Arbeit. Er herrschte einen
der schlaftrunkenen Knechte an, frische Eier zu holen, suchte
persönlich ein junges Täubchen aus und brach ihm mit einer einzigen
Handbewegung das Genick. Routiniert hantierte er auf dem sorgsam
gescheuerten Aastisch, zupfte Federn, löste Knochen und Knorpel,
schnitt das Fleisch in lange dünne Streifen und legte es in eine
saubere Schüssel. Dann nahm er dem Burschen zwei Eier, an denen noch
Flaumfeder und Kot klebten, aus der Hand, schlug sie auf, trennte
Eiweiß vom Gelb und mischte beide Dotter
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