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Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Titel: Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken
Autoren: Rainer M. Schröder
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gezeigt, sondern von ausgesprochen scharfer Beredsamkeit.
    Nein, gemocht hatte er den Franzosen wahrlich nicht, jedoch als Meister seines Faches respektiert. Er war der beste Lehrer gewesen, den er je gehabt hatte, und es waren schon einige vor ihm auf Falkenhof gewesen, um ihn in der Kunst des Fechtens zu unterrichten. Deshalb empfand er nun eine merkwürdige Verlegenheit, nachdem er ihn mit seinen eigenen Waffen besiegt und sich ihm mehr als ebenbürtig gezeigt hatte. Fast schämte er sich – für Maurice Fougot, weil dieser ihm nichts mehr entgegenzusetzen hatte und weil er seinen Lehrer, auch wenn er ihn nicht mochte, zum wiederholten Mal so gedemütigt hatte. Er hatte plötzlich das Gefühl, etwas verloren zu haben, etwas, das er im Augenblick nicht zu benennen wusste.
    Der verlegene Moment verstrich, als sich Maurice Fougot aufrichtete. Auch er hob das Florett kurz zur Respektsbezeugung, die das Gefecht abschloss.
    »Bien …! Das war keine schlechte Parade«, brach er das Schweigen. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos und verriet nicht das Geringste von dem, was in ihm vor sich ging. Er legte das Florett aus der Hand und öffnete die Gurte seines Lederwamses. »Vielleicht war die Zeit mit dir doch nicht ganz vertan.«
    Tobias traute seinen Ohren nicht. Das war das erste Mal, dass der Franzose unmissverständlich zum Ausdruck brachte, wie gut er geworden war. Er fühlte Stolz, denn diese Worte waren mehr als nur ein Lob. Es war das Eingeständnis, dass er vor seinen kritischen, ja ungnädigen Augen bestanden hatte. Aber es verstärkte auch seine Verlegenheit, und dabei war Schüchternheit bei ihm sonst wahrlich kein ausgeprägter Wesenszug!
    »Danke, Monsieur.«
    »Nonsens …! Du brauchst dich nicht zu bedanken!«, erwiderte Maurice Fougot und seine Stimme hatte wieder die ihr eigene Schärfe und Distanz. »Ich habe dir nichts geschenkt, nicht so viel, compris?« Und er schnippte mit den Fingern.
    Tobias nickte nur stumm, fuhr sich mit dem linken Handrücken über die schweißnasse Stirn und legte nun auch das Florett zu Boden, um sich vom fest geschnürten Lederwams zu befreien.
    In dem Moment trat eine Gestalt aus dem Dunkel des hinteren Dachbodens, wo sich die Treppe befand. Es war Sadik Talib, der Araber und langjährige Diener seines Vaters.
    »Es-salum ’alekum, Sihdi Fougot«, grüßte er mit seiner melodischen Stimme, die manchmal einen ganz gewöhnlichen Satz zu einem halben Lied werden ließ. »Der Friede sei mit Euch.«
    Der Franzose fuhr herum und zog in sichtlicher Verwunderung, ihn hier oben auf dem Dachboden zu sehen, die Augenbrauen hoch. »Dein Wort in Gottes Ohr, beziehungsweise bei dir wohl in Allahs
    Ohr, aber das mit dem Frieden wird sich erst noch herausstellen müssen«, gab er wenig freundlich zur Antwort.
    Sadik Talib, der eine grobe Wollhose und über einem dicken bleigrauen Pullover noch eine warme Lammfelljacke trug, war einen Kopf kleiner als Tobias und von schmächtiger, jedoch sehniger Gestalt. Ausgeprägte Wangenknochen, eine scharfe Nase und hellblaue Augen unter buschig schwarzen Brauen gaben seinem Gesicht mit der getönten Haut ein markantes Aussehen. Schlank und feingliedrig waren seine Hände, die so geschickt im Umgang mit den verschiedensten Dingen waren.
    Sein genaues Alter vermochte er nicht zu nennen, doch er musste Anfang vierzig sein, wie Tobias Vater, denn hier und da durchzogen schon graue Strähnen sein krauses blau-schwarzes Haar. Zudem konnte er sich noch gut daran erinnern, wie Napoleon Bonaparte die Mameluken bei den Pyramiden besiegt hatte. Damals war er schon alt genug gewesen, eine Stellung anzunehmen, und seine Eltern hatten ihn an einen reichen Weinhändler aus Alexandria verkauft. Bei Napoleons Landung in Ägypten hatte er sich mit seinem Herrn in Kairo aufgehalten und dort auch im Juli 1798 den Einzug der siegreichen französischen Truppen erlebt, und das lag inzwischen immerhin schon zweiunddreißig Jahre zurück, denn mittlerweile schrieb man das Jahr 1830.
    Tobias fühlte sich gleich besser, als er Sadik erblickte, der ihm Freund und Bruder zugleich geworden war. Er hoffte, dass Sadik seinen Kampf mit angesehen hatte, wagte in Gegenwart des Franzosen jedoch nicht, ihn danach zu fragen.
    Sadik trat näher, ein freundliches Lächeln auf dem Gesicht, das unter der dunklen Tönung aber noch immer einen Anflug von Blässe hatte. Der Winter in diesen nordischen Breiten war ihm schlecht bekommen und lange hatte er das Bett gehütet, niedergeworfen von
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