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Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Titel: Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken
Autoren: Rainer M. Schröder
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trennte die Stallungen, die auf der linken Seite des Hofes lagen, von Scheune und Lagerschuppen auf der rechten. Im Ostflügel hatten sich früher, als das Gut noch richtig bewirtschaftet wurde, auch die armseligen Quartiere des Personals und der Landarbeiter befunden. Zum Westtor dagegen führte eine lange Allee alter Ulmen vom Wald her, hinter dem die Landstraße nach Mainz lag, die leichte Anhöhe herauf. In diesem Trakt des trutzigen Gevierts hatte schon immer die jeweilige Herrschaft der Adelsfamilie von Falken ihre Zimmer, die Bibliothek, Salons und Festräume gehabt. Jetzt wurden sie vom Universalgelehrten Heinrich Heller, von Sadik Talib, Tobias und dessen Vater bewohnt – sofern Letzterer auf Falkenhof weilte, was bei seinen oft mehrjährigen Forschungsreisen selten und dann auch nie für allzu lange Zeit der Fall war.
    Den letzten Spross der Adelsfamilie, Major Bertram von Falken, Träger des Roten Adlerordens zweiter Klasse und Ritter des Eisernen Kreuzes, hatten die erdrückenden Schulden gezwungen, das Gut zu verkaufen. Mätressen und Kartenspiel hätten ihn in den Ruin getrieben, hieß es in Mainz und auf den umliegenden Gütern – nicht ohne Häme bei manchen.
    Heinrich Heller hatte sich nicht darum gekümmert, weshalb der Major verkaufen wollte oder musste. Er hatte die Sache als das gesehen, was sie war, nämlich eine günstige Gelegenheit in einer ansonsten deprimierenden Lebenslage: Falkenhof war groß genug, sodass er endlich ausreichend Platz für seine vielfältigen Experimente und Studien hatte, lag abgeschieden und doch auch wieder nahe genug an Mainz, wo er aufgewachsen war und studiert hatte, und wurde zudem noch zu einem erschwinglichen Preis angeboten.
    1819 war das gewesen. In jenem Jahr hatte er seine Professur der Philosophie und Naturwissenschaften in Gießen verloren und die Stadt quasi bei Nacht und Nebel verlassen müssen. Es hatte ihn betrübt, nicht aber überrascht. Ihn überraschte damals schon lange nichts mehr.
    Männer wie er, die sich für die Menschenrechte, für die Einheit und Freiheit Deutschlands einsetzten und sich vehement gegen Zensur und Fürstenwillkür aussprachen, konnten kaum mit dem Wohlwollen der Herrschenden rechnen. Nicht seit der österreichische Staatskanzler Fürst Metternich – nach Napoleons vernichtender Niederlage bei Waterloo im Juni 1815 und seiner Verbannung nach St. Helena – in Europa das Heft in die Hand genommen hatte. Mit der ›Heiligen Allianz‹ der Fürsten und gekrönten Häupter Europas hatte Metternich eine Epoche der Restauration, des Rückschritts eingeleitet. Das angeblich gottgewollte Recht des Mächtigen auf Herrschaft war wieder zum obersten Prinzip erhoben worden. Und Hand in Hand war damit die Unterdrückung aller liberalen und republikanischen Ideen gegangen.
    Die Karlsbader Beschlüsse vom 20. September 1819 versuchten alle Forderungen nach Reformen und nach mehr Freiheit gleich im Keim zu ersticken: Die Burschenschaften, in der sich die studentische Opposition mit ihrem Wahlspruch »Ehre, Freiheit, Vaterland« formiert hatte, wurden ebenso verboten wie die Turnvereine, die ein anderes Sammelbecken republikanischer Anhänger waren.
    Aber damit nicht genug des Rückschritts und der Freiheitsbeschneidung. Alle Universitäten erhielten staatliche Aufpasser, die Kuratoren. Ihre Aufgabe war es, nicht nur aufmüpfige Studenten zu überwachen, sie der Universität zu verweisen oder gar ihre Inhaftierung zu veranlassen, wenn sie sich politisch in Wort oder Schrift gegen das herrschende System ausgesprochen hatten – nein, ihre Bespitzelung galt hauptsächlich allen fortschrittlich denkenden Professoren. Sie waren einer besonders unerbittlichen Verfolgung von Metternichs Spionen ausgesetzt.
    Des Weiteren mussten alle Druckschriften unter zwanzig Bögen zur Vorzensur eingereicht werden. Und in Mainz hatte man eine »Centraluntersuchungskommission« eingesetzt. Eine eigenständige Behörde, deren alleinige Aufgabe darin bestand, angeblich revolutionäre Umtriebe, demagogische Verbindungen und Geheimbünde im Volk aufzudecken und diese so genannten »Umstürzler« einzukerkern und mundtot zu machen. Ein blühendes Denunziantentum und eine politische Friedhofsstille waren die Folge gewesen.
    Das System der Unterdrückung, der Argumentation mit Knüppel und Kerker, hatte Erfolg gebracht. Doch ob auch den gewünschten? Gewiss, die Flammen waren ausgetreten, nicht jedoch die Glut unter der Asche. Unter der scheinbar friedlichen
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