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Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Titel: Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken
Autoren: Rainer M. Schröder
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noch ein wenig mehr Selbstdisziplin an den Tag legen. Er ist in einem ungestümen Alter. Und ich schätze Ihren Einfluss auf den Jungen sehr hoch ein. Es wäre mir deshalb sehr daran gelegen, dass Sie auch weiterhin zweimal die Woche mit ihm üben.«
    Maurice Fougot lächelte etwas wehmütig. »Damit täte ich keinem von uns einen Gefallen, glauben Sie mir. Tobias kann mich nicht ausstehen …«
    »Sie waren streng mit ihm, gut! Aber …«
    »Ich war mehr als streng mit ihm«, fiel der Franzose ihm ins Wort. »Wir haben vorher darüber geredet, Monsieur Professeur. Er sollte mich von Anfang an unsympathisch finden, ja mich aus ganzem Herzen ablehnen. Es war Teil meines Konzeptes.«
    Heinrich Heller nickte. »Jaja, Sie wollten ihn herausfordern, seinen Ehrgeiz wecken, es Ihnen eines Tages heimzuzahlen.«
    »Correct! Nach meiner ersten Stunde mit ihm erkannte ich sofort sein ungeheures Talent. Ich hatte einen ganz seltenen Diamanten vor mir. Doch es war noch ein Rohdiamant, und um ihm den wirklich meisterlichen Schliff zu geben, brauchte ich seine ungeteilte Hingabe und einen geradezu brennenden Ehrgeiz. Und das in seinem jugendlichen Alter mit gewöhnlichen Anreizen und gutem Zuspruch zu erreichen, hielt ich für genauso ausgeschlossen wie Sie. Deshalb habe ich es ihm bewusst erschwert, indem ich ihn so gut wie nie lobte, mich arrogant und verächtlich verhielt und ihn wie einen dummen kleinen Jungen behandelte, der ein Florett nicht von einem Steckenpferd unterscheiden kann«, sinnierte Maurice Fougot, den Blick in die Flammen gerichtet. »Und es ist mir nicht leicht gefallen, drei Jahre lang bei dieser Rolle zu bleiben. Wie oft hatte ich das Verlangen, ihm zu zeigen, wie stolz mich seine Fortschritte machten, wie bewundernswert schnell er komplizierte Kombinationen und Taktiken begriff und wie sehr er mir ans Herz gewachsen war. Aber ich habe mir all das um seiner selbst willen versagt, weil ich ein Ziel vor Augen hatte, so schwer es mir auch fiel, die tiefe Abneigung in seinen Augen zu lesen.« Er schwieg und auch Heinrich Heller sagte nichts.
    Es war Maurice Fougot, der schließlich wieder das Wort ergriff. »Non, es ist unmöglich, dass ich jetzt noch kommen und mit ihm fechten kann. Meine Aufgabe ist beendet. Er braucht von nun an jemanden als Partner, mit dem er sich im Guten messen kann, den er respektiert und der auch sein Vertrauen, womöglich sogar seine Freundschaft zu gewinnen vermag.«
    »Ja, das leuchtet mir ein«, räumte Heinrich Heller ein und seine Stimme hatte einen sorgenvollen Unterton.
    »Sie sorgen sich um Tobias, nicht wahr, Monsieur Professeur?«
    »In der Tat. Wie ich es schon sagte, er befindet sich in einem schwierigen Alter – und sein Vater ist vor ein paar Monaten, wie Sie ja wissen, wieder zu einer längeren Reise aufgebrochen.«
    »Tobias wäre wohl gern mitgegangen.«
    Heinrich Heller lachte leise auf. »Gern ist mächtig untertrieben! Er hat gebettelt, geweint und geflucht! Nichts hat er unversucht gelassen, seinen Vater umzustimmen und die Erlaubnis zu erhalten, ihn begleiten zu dürfen. Ich glaube, er hätte seinen linken Arm dafür gegeben. Aber natürlich blieb sein Vater hart. Tobias ist eben noch nicht erwachsen, obwohl er andererseits auch kein Junge mehr ist. Er steckt dazwischen, und genau das ist es, was es so schwierig macht.«
    »Es wäre wohl leichter für ihn und Sie, wenn er nicht so aufgeweckt und seinen Gleichaltrigen in vielen Dingen nicht schon so himmelweit überlegen wäre«, mutmaßte Maurice Fougot.
    Heinrich Heller verzog das Gesicht. »Ja, ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich die außergewöhnlichen Begabungen des Jungen einmal auch als schwere Belastung empfinden würde! Aber so ist es gekommen. Ach, ich wünschte, mein Bruder hätte seinen brennenden Ehrgeiz und die Sucht, die ihn immer wieder in die unerforschte Fremde hinauszieht, diesmal länger beherrschen können. Warum ist er nicht zwei, drei Jahre bei uns geblieben? Er hätte die Zeit gut dafür nutzen können, seine Reisetagebücher zu bearbeiten und zu veröffentlichen und sich um seinen Sohn zu kümmern.« Er seufzte schwer. »Aber andererseits verstehe ich ihn natürlich. Ich kenne diesen inneren Drang, der ihn ruhelos vorantreibt, nur zu gut. Ich weiß, wie es ist, wenn man meint, nicht mehr atmen zu können und von den Mauern seines bürgerlichen Zuhauses in der Heimat erdrückt zu werden. Männer wie Tobias’ Vater kennen in Wirklichkeit nur ein Zuhause und eine Heimat –
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