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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter
Autoren: Martin Clauß
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fluchen. Die Kofferraumtür knallte zu, dass man befürchten musste, es würde das Auto zerlegen.
    Eine halbe Minute später saß Artur auf dem Beifahrersitz, und sie waren unterwegs durch die Ortschaft.
    Ein heißer 9. August neigte sich seinem Ende entgegen. Die Passanten, die in den Geschäften ein und aus gingen, wirkten erschöpft von der Hitze. Ihre Bewegungen waren träge, ihre Gesichter verschlafen. Die sonst so kräftigen Farben, die die Holzbalkone und Blumenkästen der Schwarzwaldarchitektur prägten, wirkten wie von der Sonne ausgebleicht. Vielleicht stimmte etwas mit Arturs Augen nicht. Vielleicht hatte er zu lange in die Sonne geblickt.
    Er trug keine Sonnenbrille. Irgendwie kam er nie dazu, sich eine zu kaufen.
    „Halten Sie die Leute in Schloss Falkengrund auch für verrückt?“, konnte Artur sich die Frage nicht verkneifen. Er war angespannt, hatte die Beine angezogen und saß steif auf dem Ledersitz. Der Sicherheitsgurt schien ihm die Luft abzudrücken, und er hatte seine Hand darunter geschoben, wie es Frauen manchmal tun, um zu verhindern, dass der Gurt auf ihren Brüsten scheuert.
    Der Fahrer griff nach der Coladose, schwenkte sie und stellte sie dann in die Halterung zurück. Offenbar war sie leer, und er schien nicht unglücklich darüber zu sein. „Ich weiß nicht, wie ich sagen soll ...“
    Artur lachte nervös. „Aha, Sie also auch.“
    „Nein, nein!“ Der Türke nahm immer wieder für Sekunden den Blick von der Straße und sah seinen Fahrgast an. Eindringlich, wie es schien. Aber auch zweifelnd. „Ehrlich gesagt“, gestand er, „ist mir der Ort ein bisschen ... unheimlich, ja ...“
    „Böse?“ Die Rückfrage kam schnell.
    Der Fahrer zögerte erneut. „Möglich“, sagte er unentschlossen. Dann schüttelte er den Kopf, als gefalle ihm das Wort nicht.
    „Wie lange fahren wir? Eine Viertelstunde?“
    „Zwölf Minuten“, meinte der Fahrer fachmännisch. „Wenn wir nicht gerade hinter einem Mähdrescher fest hängen. Hier gibt es keine Staus.“
    „Können Sie mir in dieser Zeit alles erzählen, was Sie über Falkengrund wissen?“
    Der Türke sah Artur an, lächelnd, unsicher. „Das geht in fünf Minuten.“
    „Das beruhigt mich. Bitte, schießen Sie los.“

2
    Hasan Baris fragte sich, ob er etwas Falsches gesagt hatte. Sein Fahrgast war von Anfang an ernst und verschlossen gewesen, doch als Hasan offen und aufrichtig die Geschichten zusammengefasst hatte, die man sich über das Schloss erzählte, war der Gesichtsausdruck des Deutschen beinahe grimmig geworden. Hasan, der sich sonst nicht genierte, Kunden nach Strich und Faden zu löchern, um ihnen die Fahrzeit zu verkürzen und seine eigene Neugier zu befriedigen, hatte es diesmal nicht geschafft, den jungen Mann neben ihm zu fragen, was ihn nach Falkengrund führte. Der richtige Zeitpunkt dafür war einfach nicht gekommen. Oder so schnell vorübergegangen, dass er ihn nicht erwischte.
    Und dazu kam noch etwas anderes: Er hatte für einen Moment eine ausgesprochen merkwürdige Empfindung gehabt.
    Eine Art Windstoß schien durch ihn hindurch zu gehen, kaum dass sie den Sechstausend-Seelen-Ort verlassen hatten. Es war wie eine Bö, die durch den Daimler und durch ihn hindurch wehte. Einen Augenblick lang bekam er keine Luft, und seine Brust schien zusammengedrückt zu werden.
    Im nächsten Moment prickelte sein ganzer Körper, als wäre jede seiner Gliedmaßen eingeschlafen. Doch das Gefühl verschwand viel schneller, als dies bei pelzig gewordenen Armen oder Beinen der Fall war.
    Seinem Fahrgast schien aufzufallen, was mit dem Fahrer vor sich ging. Doch er sprach ihn nicht darauf an, sah vielmehr betreten zur Seite. Hasan wusste nicht, was geschehen war, und er wusste nicht, was sein Kunde über ihn dachte.
    Er sieht mich nicht an. Es ist ihm peinlich , überlegte Hasan. Aber warum? Was war das eben?
    Als sie die schmale Straße empor fuhren, die zu dem Schloss führte, begann Hasan zu schwitzen. Seine Hände wurden feucht und rutschten über das Lenkrad. Dann bildete er sich ein, seinen eigenen Achselgeruch zu riechen. Er schämte sich dafür und hoffte, dass die geöffneten Fenster ihn retteten.
    Er war diesen Weg vor Jahren einmal gefahren, hatte eine Frau abgeholt und nach Freudenstadt gefahren. Er erinnerte sich gut an sie. An dem Fahrgast war nichts Ungewöhnliches gewesen. Eine blonde Frau in mittlerem Alter, gut gekleidet und sauber geschminkt. Trotz der Zahnschmerzen, die sie zum Arzt nach Freudenstadt führten,
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