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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter
Autoren: Martin Clauß
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nebenbei fragen konnte, wie es um den Geisteszustand des hageren Mannes bestellt war, dann war es vermutlich dieser Gärtner.
    Doch er brachte nicht den Mut auf. Er wollte seinen Aufenthalt auf Schloss Falkengrund nicht damit beginnen, dass er indiskrete Fragen stellte und seine Neugier mit Informationen befriedigte, die ihn nichts angingen. Solange er hier niemanden näher kannte, durfte er sich keine Vertraulichkeiten erlauben. Auch wenn die anderen nichts dabei zu finden schienen, ihn mit Klatsch und Tratsch zu überschütten – das war etwas anderes. Noch war Gast hier, als Teil dieses Hauses fühlte er sich beim besten Willen noch nicht.
    Schnell genug konnte er selbst zum Thema von Klatschgeschichten werden. Es wäre nicht das erste Mal gewesen. Auch diese Erfahrung ließ ihn davor zurückschrecken, andere Leute über Dritte auszufragen. Er erwartete, dass man seine eigene Privatsphäre respektierte. Also musste er anderen mit derselben Diskretion gegenübertreten.
    Während Artur mit dem Gärtner zusammen zur Vorderseite des Hauses zurückkehrte, wartete er auf etwas ganz bestimmtes.
    Er wartete auf etwas, was schwer in Worte zu fassen war. Auf ein Ereignis, das mit einer großen Regelmäßigkeit immer dann eintrat, wenn er einem neuen Menschen begegnete.
    Das Ereignis, das ihn, Artur, zu etwas besonderem machte. Ein kurzer Moment der Wahrheit, der sein Leben von dem der anderen Menschen unterschied.
    Bei dem Taxifahrer war es eingetreten, und ebenso bei Margarete Maus. Er hatte es genau gesehen. Michael Löwe war vermutlich verschont worden, weil er ihm nur ein paar knappe Sekunden gegenübergestanden hatte. Es war nur aufgeschoben. Wenn er dem Hageren das nächste Mal begegnete, würde auch er an die Reihe kommen, ohne jeden Zweifel.
    Auch bei dem Gärtner war es nur eine Frage der Zeit. Seit einigen Minuten unterhielten sie sich. Seit einigen Minuten standen oder gingen sie eng beieinander.
    Artur wartete. Er würde peinlich berührt den Blick abwenden, wenn es geschah, wie immer.
    Sie kamen an dem Parkplatz vorüber, und Werner erklärte ihm, dass der weiße Porsche Margarete Maus gehörte. Er machte eine streichelnde Bewegung über dem niedrigen Dach des Fahrzeugs, ohne es wirklich zu berühren. Unter normalen Umständen hätte Artur über die Eröffnung vielleicht gestaunt – der teure Sportwagen schien nicht ganz zu der Frau in der femininen Trachtenmode zu passen.
    Doch er hörte nur mit halbem Ohr zu. Er sehnte den Moment herbei, und dieser kam nicht.
    Artur begann wieder zu schwitzen. Er lockerte den Kragen seines Hemdes und fragte sich, ob er den Augenblick verpasst haben konnte. Es wäre das erste Mal gewesen. Vielleicht überforderte ihn die Situation einfach – diese vielen neuen Eindrücke, die vielen Informationen, Namen, Absonderlichkeiten ...
    „Wissen Sie, Herr Leik“, sagte der Gärtner. „Es ist seltsam, aber ... seit ein paar Minuten sehen Sie mich an, als würden Sie damit rechnen, dass – wie soll ich es sagen? – dass jeden Moment mein Kopf explodieren könnte oder etwas in der Richtung.“
    Eine Hand krampfte sich um Arturs Herz, und er sah angestrengt zu Boden. „Es tut mir leid“, brachte er hervor. „Ich wollte nicht ...“
    „Kein Problem“, meinte Werner und lächelte. „Wahrscheinlich sitzt ein Käfer mitten auf meiner Nase und legt seine Eier ab. Ich wette, ich bin kein schlechter Nährboden für ein paar tausend Käfer-Eier.“ Aber etwas durchaus Ernstes mischte sich in seine Miene.
    Im nächsten Augenblick war die unangenehme Spannung zwischen ihnen vergessen.
    Die beiden Männer hatten sich vom Parkplatz aus wieder dem Gebäude genähert. Sie passierten eben die Stelle, an der der staubige Kies in Rasen überging, als es geschah.
    Im ersten Stock der Fassade gab es neun Fenster, alle vollkommen identisch und im gleichen Abstand voneinander. Es gab einen dumpfen Schlag und ein hölzernes Knarren, als pralle etwas von innen gegen eines dieser alten Fenster. Artur glaubte, in den Augenwinkeln einen Schatten gesehen zu haben. Einen Schatten hinter einer der Scheiben.
    Er hob den Kopf und wurde so Zeuge, wie das vierte Fenster zerbarst.
    Zunächst sah er nur die Holzsplitter fliegen, große, weiß lackierte Rahmenstücke. Und inmitten dieser hölzernen Brocken wurde etwas ins Freie geschleudert.
    Artur hatte im ersten Moment den Eindruck, es müsse sich um eine Puppe handeln, so klein und zierlich war die Gestalt. Dann erst erkannte er, dass die Puppe sich
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