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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter
Autoren: Martin Clauß
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kleiner als der stabil gebaute, breitschultrige Artur. Das hinderte den Gärtner nicht daran, sein Gegenüber an den Schultern zu packen. In seinen Händen steckte eine erstaunliche Kraft, und er schien es darauf anzulegen, dem anderen mit seinem Griff echte Schmerzen zuzufügen.
    Artur versuchte, den Mann abzuschütteln, doch das war nicht so einfach. Er wollte ihn unter keinen Umständen schlagen. Nicht einmal von sich stoßen wollte er ihn – er war nach Falkengrund gekommen, um Student hier zu werden, nicht, um sich mit dem Dienstpersonal zu prügeln. Doch der Gärtner hing zäh an ihm wie eine Klette und schien immer wütender zu werden, je länger er in seiner Nähe war.
    Glücklicherweise blieb Artur diese Entscheidung erspart. In der nächsten Sekunde hatten Werner und er plötzlich ein ganz anderes Problem.
    Das Mädchen rappelte sich auf und rannte los.
    Das ist leicht dahingesagt, doch für die beiden Männer wirkte es wie ein Wunder. Eben noch hätte Artur keine Wette abschließen wollen, dass die junge Asiatin überhaupt mit dem Leben davonkommen würde. Innere Verletzungen schienen nach einem solchen Sturz vorprogrammiert – sie hatten sich nicht einmal vergewissert, dass ihre Wirbelsäule unverletzt war. Sie verlor immer noch Blut, stöhnte noch immer.
    Und jetzt war sie mit erstaunlicher Behändigkeit auf die Beine gekommen. Für die ersten drei, vier Schritte nahm sie ihre Arme zu Hilfe, lief mit den Händen auf dem Rasen mit, wie man es von Menschenaffen kannte, doch dann richtete sie sich vollends auf. Sie hinkte mit dem rechten Bein, ihre Bewegungen waren unrund und stolpernd. Ihren Schritten merkte man die Schmerzen an, die jede einzelne Bewegung begleiteten. Trotzdem legte sie eine erstaunliche Geschwindigkeit an den Tag. Sie rannte in Todesangst.
    Sie ächzte ein paar Worte in einer fremden Sprache, und Artur ahnte, dass es Japanisch sein musste. Mit weit in den Nacken gedrücktem Kopf jagte sie den ebenen Weg entlang, der zum Eisentor führte. Das Tor stand nach wie vor offen, und es war unglaublich, wie schnell sie es erreicht hatte.
    Artur und der Gärtner liefen gleichzeitig los. Beide hatten sie einige Sekunden gebraucht, um zu verarbeiten, was sie da sahen.
    Das Mädchen ruderte wild mit den Armen, als wolle es sich in der Luft festkrallen und den geschundenen Leib Meter für Meter vorwärts zerren. Die langen Haare der Asiatin flatterten nicht, sondern pappten auf bizarre Weise an ihrem Kopf und ihren Schultern fest. Das Blut klebte sie zusammen. Auch ihr T-Shirt haftete an ihrem dünnen Oberkörper. Der weiße Stoff verschwand immer weiter unter den sich ausbreitenden roten Flecken.
    Ihr Ziel schien es zu sein, möglichst viel Abstand zwischen sich und das Schloss zu bringen. Was immer sich hinter dem Fenster im ersten Stock zugetragen hatte, ob sie gestoßen worden oder selbst gesprungen war – offenbar war ihre Angst so übermächtig, dass sie dafür ihre Schmerzen ignorierte. Und die konnten nicht gering sein.
    Madoka ließ das Tor hinter sich und taumelte auf die Reihe der Kiefern zu. Es war ein Wunder, dass sie nicht stürzte. Ihre beiden Verfolger holten zwar auf, doch als die dünne Gestalt des Mädchens in die tiefen Baumschatten eintauchte, fürchtete Artur, sie aus den Augen zu verlieren.
    Erwartungsgemäß kam er fast doppelt so schnell vorwärts wie der beleibte Gärtner. Artur war kein Sportler, bewegte sich zu wenig, aber ein athletischer Körperbau war ihm angeboren, und seine langen, muskulösen Beine gestatteten ihm weite, kraftvolle Schritte. In den letzten Minuten war die Dunkelheit intensiver geworden, die Schatten schwärzer, die Konturen der Personen und Objekte schwächer.
    Er erinnerte sich an die Taxifahrt hierher. Hinter den Kiefern würde ein flach abfallender Hang folgen, bis sich keine hundert Meter weiter ein dichter Wald aus Nadelbäumen anschloss. Falls die Verletzte diesen Wald anvisierte, hatte sie vielleicht sogar eine Chance, ihre Verfolger darin abzuhängen. Trotz ihrer unterlegenen Körperkräfte konnte sie ihnen in der Dunkelheit zwischen den eng stehenden Bäumen durch die Finger schlüpfen.
    Das bedeutete, er musste sie unter allen Umständen einholen, ehe sie den Wald erreichte.
    Wie eine unaufhaltsame Maschine brach er durch die Reihe der Kiefern. Mit seinen Armen blieb er an Zweigen hängen und riss diese einfach ab.
    Dann war er durch. Für den Gärtner hinter ihm hatte er keinen Blick mehr.
    Dort vorne rannte das Mädchen! Sie trennten
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