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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter
Autoren: Martin Clauß
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„Artur, dieses Mädchen stirbt mir.“ Ihre Augen zuckten zu Madoka hinüber, die sie nicht zu hören schien. Sie wehrte sich noch immer nach Leibeskräften gegen eine unsichtbare Bedrohung. Doch es war nicht zu übersehen, dass ihre Energien schwanden. Ihre Bewegungen wurden matter, ihr Atem ging flacher, und sie vermochte kaum mehr, die Augen offen zu halten. Vermutlich setzte ihr der Blutverlust zu.
    „Wenn du etwas weißt, Artur, dann ist jetzt der Moment, es auszusprechen. Du ...“ Margarete suchte nach Worten.
    In diesem Moment tauchte der Gärtner neben ihr auf. „Er hat etwas nach Falkengrund mitgebracht“, sagte Werner. „Davon bin ich überzeugt.“
    Margaretes Gesicht hellte sich für einen Moment auf. „Ja“, sagte sie, „ja, ich habe es auch gespürt. Wie eine Kraft, die mich ... kurz berührte. Sie wehte durch mich hindurch wie eine ... Wellenbewegung im Äther. Es war so schnell vorüber, dass ...“
    „Komisch! Genau das hab’ ich auch gespürt. Vorhin, in meinem Zimmer.“ Einer der beiden Studenten sagte das, und der andere nickte wortlos.
    „Mein Schutzengel!“, platzte Artur hervor. Eine Mischung aus Stolz und Schuldgefühlen trieb ihn letztlich dazu, das Geheimnis preiszugeben. „Ich habe einen Schutzengel, und er ... er prüft die Menschen, denen ich begegne. Er sorgt dafür, dass mir kein Leid geschieht.“
    „Er prüft die Menschen?“
    Artur wollte nicken, aber einer der Studenten hielt seinen Kopf fest. „Ja“, stieß er hervor. „Ja, ja, ja! Er tut es nur, um mich zu schützen!“
    „Marg! Madoka hält das nicht mehr lange durch ...“ Werners Stimme.
    Margarete Maus reagierte. Sie fasste sich in den Ausschnitt und zerrte zwischen ihren Brüsten ein Objekt hervor, das sie an einer feinen Goldkette um den Hals trug. Artur konnte nur schlecht erkennen, was es war. Ein Schmuckstück möglicherweise, oder eine Art Amulett. Es war zu dunkel. Jede Sekunde schien es jetzt dunkler zu werden. Man erkannte die Gesichter kaum mehr. Und er konnte den Kopf nicht drehen.
    Was in den nächsten Minuten geschah, begriff Artur nicht. Er konnte nur zusehen, wie Margarete sich über das Mädchen beugte und langsam die Hand auf sie herabsenkte, die das Objekt barg. Ob sie den Leib des Mädchens damit berührte, war aus seiner Perspektive nicht zu erkennen. Weitaus mehr beschäftigten ihn die Laute, die er hörte. Er sah, wie sich Margaretes Lippen bewegten, und die Laute mussten einfach aus ihrem Mund kommen.
    Aber das war unmöglich. Die Stimme klang Oktaven tiefer als die ihre, und die fremdartigen, gutturalen Silben, die kein Mensch je auszusprechen vermocht hätte, folgten rasend schnell aufeinander, wie ein Tonband, das jemand zu schnell abspielte und dessen Klang dabei tiefer wurde anstatt höher. Minutenlang setzten sich die stakkatoartigen, gepressten Laute fort, und Artur konnte keine Einschnitte darin erkennen, in denen sie hätte atmen können. Wenn Margarete Maus es tatsächlich war, die diese Klänge produzierte, dann sprach sie beim Einatmen wie beim Ausatmen.
    Artur glaubte sich in eine andere Welt versetzt. Die Finsternis wurde tiefer. Die Luft schien stickiger zu werden, die Temperatur schien zu steigen.
    Artur wehrte sich längst nicht mehr, doch die Kraft, mit der die beiden Studenten ihn ins Gras pressten, blieb unverändert.
    Er meinte zu sehen, wie die Frau ihre Kleider ablegte. Wie sie nackt einen Tanz vollführte. Einen alten, archaischen Tanz. Eine Art des Tanzens war es, die die Kulturvölker seit Jahrtausenden verlernt hatten. Aber er war nicht sicher. Vielleicht träumte er schon. Er fühlte sich müde, wie betäubt.
    Menschen scharten sich um sie, junge Menschen meistens. Männer, Frauen. Sie schienen entsetzt und doch gefasst. Als hätten sie Vertrauen in das Unheimliche, das Margarete hier tat.
    Eine Hexe, dachte Artur. Eine Schamanin.
    Dann verlor er das Bewusstsein.

10
    „Dieses Mädchen ... ist sie ...“
    Er sprach zwischen zwei kleinen Schlucken, die er aus dem Wasserglas nahm, das Margarete ihm reichte. Er lag nicht in einem Bett, sondern auf einer Couch, irgendwo in einem Flur. Vermutlich im Schloss, im ersten Stock.
    Außer der Frau war noch Werner bei ihm. Er trug jetzt nicht mehr seinen grünen Gärtneroverall, sondern einen hellgrauen Anzug und ein weißes Hemd. Es passte nicht zu ihm. Er sah jetzt noch mehr wie Churchill aus und weniger wie der Mensch, den er kennen gelernt hatte.
    „Madoka ist am Leben“, beantwortete Margarete seine Frage.
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