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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter
Autoren: Martin Clauß
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war sie ausgesprochen kommunikativ gewesen, und Hasan bildete sich ein, dass sie sogar ein wenig mit ihm geflirtet hatte.
    Aber der Ort – dieses gewaltige, langgezogene Haus mit seinen hellgrauen Mauern, aus denen irgendeine unbegreifliche Macht jedes Farbpigment gezogen zu haben schien ...
    Fünf Minuten hatte er Zeit gehabt, das Bauwerk zu betrachten, denn die Frau war offenbar noch aufgehalten worden und ließ ihn lange warten. Er war ausgestiegen und hatte sich neben seinen Wagen gestellt, Fahrer- und Beifahrertür geöffnet. Es war ein ganz anderer Tag gewesen als heute. Ein kalter, feuchter Wind peitschte über den Hang, und obwohl es um die Mittagszeit war, ließ sich die Sonne nicht einmal erahnen. Der Anblick des Hauses fraß sich unauslöschlich in seine Erinnerung. Wie es schreckliche Bilder taten, Bilder von grausamen Unfällen oder Katastrophen, die man sein Leben lang nicht mehr vergisst. Nur, dass in diesem Fall nichts dergleichen geschehen war. Hasan stand einfach nur da und wartete. Und dennoch prägte sich der Anblick des Gebäudes bei ihm ein, wie ein traumatisches Erlebnis es nicht nachhaltiger hätte tun können.
    Warum?
    Das Schloss, das friedlich dort stehen sollte, strahlte keine Ruhe aus. Dem Gebäude fehlte der Gleichmut eines Hauses, das schon seit zweieinhalb Jahrhunderten dort stand. Es hatte eine Ausstrahlung, als habe sich dort eben erst eine Tragödie von unbeschreiblichem Ausmaß ereignet oder würde sich im nächsten Augenblick ereignen. Hasan wartete unwillkürlich darauf, dass es in Flammen aufgehen oder in sich zusammenfallen würde. Das Haus war ruhelos .
    Als das Taxi sich nun der Reihe aus Kiefern näherte, die die Mauern von Falkengrund verbargen, stand das Bild des Hauses wieder vor ihm. Der Wagen folgte dem weit ausladenden Weg, folgte der Reihe der Bäume in die eine Richtung und dann, nach einer 180-Grad-Rechtskurve, in die andere. Und der neue Anblick von Schloss Falkengrund legte sich über die Szene in Hasans Erinnerung.
    Die beiden Bilder passten.
    Er hätte sich gewünscht, das Gemäuer einmal im Sonnenschein zu sehen, doch dazu war es heute zu spät. Er hätte mindestens eine halbe Stunde früher kommen müssen. Die Schatten hatten sich bereits wie ein Trauerflor über das gesamte Gebäude gelegt – nur noch in den Wipfeln der Kiefern hing tiefgolden der letzte Sonnenschein. Er kroch immer weiter empor und würde ohne Zweifel in zehn, fünfzehn Minuten vollkommen verschwunden sein.
    Das Licht floh von diesem Ort.
    Und Hasan wünschte sich, es dem Licht so schnell wie möglich gleichtun zu können ...

3
    „Hoffentlich sind Sie uns nicht böse, dass wir keinen Wagen geschickt haben! Da Sie uns nicht genau sagen konnten, wann Sie ankommen würden ...“
    „Es war kein Problem, ein Taxi zu bekommen“, behauptete Artur.
    „Wirklich? Das freut mich.“ Die Frau, die ihm vom Schloss aus entgegenkam, trug ein luftiges hellblaues Kleid mit weißen Rüschen, beinahe eine Tracht. Sie mochte Ende dreißig sein. Ihre Haare waren von einem leuchtenden Weizenblond, und ihre weibliche, üppige Figur wurde von dem bäuerlichen Kleid gut zur Geltung gebracht. Ihre Waden waren kräftig und wohlgeformt, ihr Dekolleté fast schon gewagt zu nennen, und die prallen, weißen Brüste schienen sich ihm mit einer hausbackenen Lüsternheit entgegen zu drängen.
    Artur blinzelte und wandte sich ab. Die Frau strahlte etwas aus, mit dem er hier nicht gerechnet hatte. Urwüchsigkeit. Herzlichkeit. Ihr großer, schöner Mund dominierte ihr Gesicht und zog seine Blicke auf sich.
    Hinter ihm zog der Taxifahrer sein Gepäck aus dem Kofferraum.
    Sie waren zwischen den Kiefern und der Mauer entlanggefahren, die das Grundstück umgab. Das hohe schmiedeeiserne Tor hatten sie offen vorgefunden, und nun stand das Taxi auf dem Parkplatz, wenige Meter vor dem linken Flügel des Schlosses. Fünf weitere Fahrzeuge parkten auf dem ungeteerten Kiesplatz: Ein Kleinbus und vier Personenwagen. Einer der letzteren war ein schneeweißer Porsche, bei den anderen handelte es sich um unscheinbare Kleinwagen.
    Das Schloss selbst war ein in die Breite gezogenes, helles Gebäude, zweistöckig und erstaunlich schlicht. Abgesehen von den vorspringenden, ornamentalen Einfassungen der Fenster fehlten jegliche Schmuckelemente.
    Das massige, zweitürige Eingangsportal hatte für einen Moment seine Blicke auf sich gezogen, doch je näher man ihm kam, desto mehr verlor es seinen Reiz. Uraltes, abgegriffenes Holz – die
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