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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 12 Schattentänzer

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 12 Schattentänzer

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 12 Schattentänzer
Autoren: Martin Clauß
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Wolken hingen zum Greifen nahe gleich über den Wipfeln der höchsten Bäume, und im Laufe des Vormittags gab es zwei kleinere Schauer. Olaf hatte vorgesorgt. Ein dunkler Regenponcho, der ihn aussehen ließ wie einen wohlgenährten christlichen Mönch, schützte ihn und seine Ausrüstung vor der Nässe. Nach dem Regen kam die Sonne hervor, und die Welt war voll von zäh aufsteigenden Nebelschleiern. Es sah aus, als schwebten Gespenster zum Himmel empor.
    Zum Mittagessen setzte er sich in eine der zeltartigen Buden am Eingang eines Dorfes. Er aß auf Reisen grundsätzlich all das, wovor man Touristen warnte – sein Magen war noch immer damit fertig geworden. Als er die gebratenen Nudeln mit den winzigen Vogeleiern aufgegessen hatte, war von Nebel und Wolken nicht mehr viel übrig. Vielleicht würde sich der Tag aus der Sicht des Fotografen doch noch lohnen.
    Doch anstelle der Wolken trübte etwas anderes seine Stimmung.
    Schon an Morgen hatte er die drei Gestalten bemerkt, die im selben Bus mit ihm fuhren und an derselben Haltestelle ausstiegen. Er konnte sich nicht erinnern, ob sie im selben Haus übernachtet hatten wie er, aber er sah sie an diesem Tag noch mehrmals. Sie besuchten dieselben Dörfer und speisten in den Buden in der Nähe. Wann immer er versuchte, sie auf seinen Film zu bannen, verdünnisierten sie sich. Das Schlimme war, dass er niemanden darauf ansprechen konnte. Er beherrschte die Bahasa Indonesia nicht, und er hatte sich so weit von den Städten entfernt, dass er auf keinen Englischsprechenden mehr hoffen durfte.
    Wie viele Menschen, die sich in einer ähnlichen Situation befanden, tat er genau das Falsche. Er floh vor seinen Verfolgern, immer weiter aus den Dörfern in die Natur. Er wollte einfach nur seine Ruhe vor ihnen. Anstatt sich einen echten Plan zurechtzulegen, redete er sich ein, sie würden irgendwann die Lust verlieren und sich jemand anderes suchen.
    Er war auf einer ungeteerten Landstraße unterwegs. Straßenschilder hatten weitere Dörfer im Abstand von wenigen Kilometern angekündigt. Olaf ging so schnell, dass er bald schweißüberströmt war. Es fiel ihm immer schwerer, sich auf die Flora am Wegrand zu konzentrieren. Zwei, drei eilige Bilder schoss er, dann trieb es ihn weiter. Das letzte Dorf lag jetzt schätzungsweise drei Kilometer hinter ihm. Er hatte einige einzelne Hütten gesehen, bei denen man nicht sagen konnte, ob sie bewohnt waren.
    In Abständen von mehreren Minuten kamen Fahrzeuge vorbei. Die Menschen hinter dem Steuer traten ordentlich aufs Gaspedal und hupten, wenn sie ihn passierten. Was sie damit bezweckten, war ihm schleierhaft.
    Ein weißer Pickup mit Rostflecken war plötzlich neben ihm. Olaf hatte ihn kommen hören und sich gewundert, warum er die Geschwindigkeit drosselte. Absichtlich sah er nicht hin, demonstrierte Desinteresse. Er wollte nicht mitgenommen werden, wollte einfach nur weitergehen, seine Ruhe haben. Der Pickup fuhr einige Meter an ihm vorüber. Dann brachten die quietschenden Bremsen den Wagen zum Stehen.
    Olaf schüttelte genervt den Kopf.
    Da flog die Tür an der Beifahrerseite auf.
    Viel zu schnell sprangen drei Männer vor ihm auf die Straße.
    Er erkannte sie. Der eine hatte jetzt ein Messer in der Rechten. Die anderen beiden schienen unbewaffnet zu sein.
    Olafs Kopf ruckte zur Seite. Weit und breit war kein anderes Auto zu sehen. Wenn er Pech hatte, dauerte es eine Viertelstunde, bis das nächste kam. Und wenn schon – wer sagte, dass es anhalten würde?
    „Guys“, versuchte es Olaf auf Englisch. Seine Stimme war kaum mehr als ein Krächzen. Er kam nicht weiter. Der Kerl mit dem Messer machte zwei Schritte auf ihn zu. Die Klinge war leicht gebogen und ragte aus der herabhängenden Hand herauf. Olaf konnte sich wunderbar vorstellen, wie sie sich von unten in seine Eingeweide fraß.
    Mit schrecklicher Klarheit begriff er, dass sein Leben in wenigen Sekunden beendet sein würde. Der Schock machte es ihm unmöglich, logisch zu denken. Sicher hätte er eine Chance gehabt, wenn er ihnen seine Ausrüstung freiwillig überlassen hätte.
    Aber seine Gedanken wurden von Todesangst beherrscht. Der Bewaffnete war noch ein paar Meter von ihm entfernt. Olaf rannte los. Er lief so schnell er konnte, nicht die Straße entlang, sondern in den Dschungel hinein. Die drei Männer riefen sich etwas zu. Im nächsten Moment waren sie dem Deutschen auf den Fersen.
    Er war verloren.

3. Janina
    Das ist unmöglich – er muss sich in der Adresse geirrt haben.
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