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Falkengrund Nr. 31

Falkengrund Nr. 31

Titel: Falkengrund Nr. 31
Autoren: Martin Clauß
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allem das einfache, offenbar wertlose Zeug. Es faszinierte ihn. Gegenstände, die benutzt worden waren, trugen eine Seele in sich. Kostbare Sammlerstücke nicht. Für die teuren Antiquitäten fehlte ihm ohnehin das Kleingeld.
    Das Notizbuch hatte ihn nicht als Ware interessiert. Er brauchte so ein protziges Ding nicht. Aber die Zeilen, die er beim Überfliegen gelesen hatte, hatten ihn gefesselt.
    Obwohl er einen Flohmarkt selten verließ, ehe die letzten Händler ihre Auslagen in Kartons verpackt und ihr Tische abgebaut hatte, eilte er in ein kleines Bistro in der Nähe, wo man ihn vielleicht als Stammgast erkannt hätte, wenn die Bedienung nicht alle paar Wochen gewechselt hätte, bestellte ein Pils und einen Strammen Max und schlug das Buch auf.
    Nachdem er einige beliebige Stellen gelesen hatte, blätterte er zur Mitte, wo die letzte Eintragung stand. Sie begann mit der Angabe „Schloss Falkengrund, Wolfach, 17. 5. 1978“, enthielt reichlich abstruse Angaben in einer Schrift, die deutlich unruhiger wirkte als die der anderen Aufschriebe, und endete mit den Worten: „Ich werde versuchen zu fliehen.“
    Werner Hotten schüttelte den Kopf. „Darren Edgar“, murmelte er. „Ich möchte, dass du dir das mal ansiehst.“

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    „Was für ein Glück, dass Sie sich gerade in Deutschland aufhielten, und auch noch in Frankfurt, keinen Steinwurf vom Schwarzwald entfernt, sozusagen.“
    „Ob es ein Glück war, dafür steht der Beweis noch aus.“ Darren Edgar war nicht freundlicher geworden, seit sie sich bei der Konfirmierung von Werners Nichte Sonja zum ersten Mal begegnet waren. Aber jetzt sprach er gut Deutsch, bemerkenswert gut, und Werner war dafür sehr dankbar. Offenbar hatte er sich in den vergangenen eineinhalb Jahren oft in Deutschland aufgehalten. „Übrigens dürfen Sie mich mit ‚Sir‘ ansprechen“, fügte der Mann hinzu. „Mein Großvater empfing 1907 die Würde eines Baronet, und da mein Vater letztes Jahr verstarb, obliegt nun mir als seinem ältesten Sohn die Aufgabe, dem Titel zur Ehre zu gereichen. Ich nehme an, Ihnen weitere Details zu nennen, wäre pure Zeitverschwendung.“
    Werner war im Zusammenhang mit dem Notizbuch, das er dem Briten nun überreichte, zu erregt, als dass das hochnäsige Geschwätz ihn hätte ärgern können. Der ‚Sir‘ würde ihn nicht umbringen. „Hier, Sir Edgar, das ist das Objekt, von dem ich …“
    „Sir Darren oder Sir Darren Edgar, aber auf keinen Fall Sir Edgar“, rügte sein Gegenüber. „Verwenden Sie den Titel niemals alleine mit dem Familiennamen, hören Sie? Niemals!“
    Werner zuckte zusammen und sprach dann leicht irritiert weiter. „Haben Sie schon einmal von Schloss Falkengrund gehört?“, erkundigte er sich. „Und von dem verstorbenen Dr. Ronald Schlichter?“
    „Halten Sie mich für einen Ignoranten?“, lautete die Gegenfrage. „Schlichter bin ich im Winter bei einer Tagung begegnet. Ein Mensch mit schlechtem Körpergeruch und noch schlechteren Tischmanieren. Außerdem wusste er nicht, wie man einen Hund erzieht. Bei seinen Messungen allerdings war er äußerst gewissenhaft, wie mir scheint. Ich muss gestehen, bei seiner Art sich zu ernähren wundert mich nicht, dass er tot ist.“
    „Ihm wurde wohl eher sein Interessengebiet zum Verhängnis“, sagte Werner. „Er starb auf Schloss Falkengrund. Der Geist des Barons von Adlerbrunn hat ihn auf dem Gewissen.“
    Sir Darren hob die Augenbrauen.
    Das wusstest du nicht, was? Werner hatte sich im Vorfeld erkundigt. Da sein Kumpel Hansjörg bei der Polizei arbeitete, hatte er ein paar Einblicke in die Ermittlungen erhalten. Dazu hatte er noch das Stadtarchiv zu Rate gezogen, um die Geschichte des Schlosses zu studieren. Wenn er dem britischen Fachmann für Spiritismus das Notizbuch aushändigte, wollte er gut vorbereitet sein. „Man hat Schlichter gleich hinter der Schwelle des Hauses gefunden.“
    „Todesursache?“
    „Zerfleischt vom eigenen Hund.“
    „Das ist ungewöhnlich bei einem Beagle, selbst wenn er so schlecht erzogen ist. Hat die Polizei das Schloss gründlich durchsucht?“
    Werner begann zu grinsen. Nun kam der Punkt, an dem er sein Hintergrundwissen voll ausspielen konnte. „Laut Akten ja. Aber ein Polizeibeamter, der mir nahesteht, vermutet etwas anderes. Das Schloss ist seit langem als Spukhaus verschrien, und …“
    „Nicht nur verschrien, mein Lieber. Es scheint in diesem Jahrhundert mindestens sieben Todesopfer gefordert zu haben, plus Schlichter, von dem ich noch
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