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Falkengrund Nr. 31

Falkengrund Nr. 31

Titel: Falkengrund Nr. 31
Autoren: Martin Clauß
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konnte. „Finden Sie, ich unterschätze die Gefahr?“
    „Würden Sie sich bei Nacht in schwarzer Kleidung mitten auf eine Autobahn stellen?“, fragte Sir Darren.
    „Auf keinen Fall!“
    „Sie waren aber gerade im Begriff, es zu tun. Selbst hier draußen sind wir in akuter Gefahr. Wir sollten nicht zu lange hierbleiben.“
    „Das … bedeutet, Sie werden gar nicht hineingehen?“
    „Im Moment nicht.“
    „Aber Sie sind Spezialist. Und es ist helllichter Tag.“
    „Herr Hotten, ich würde vorschlagen, Sie gehen zurück zum Auto und stecken den Schlüssel schon einmal für mich in die Zündung. Ich möchte noch kurz etwas prüfen, dann komme ich nach, und wir fahren zurück.“
    „Haben Sie Messgeräte dabei?“, riet Werner und wartete darauf, dass Sir Darren ein oder zwei Apparate aus der grauen Umhängetasche zog, die er bei sich trug.
    „Nein, damit arbeite ich nicht.“
    „Bitte lassen Sie mich zusehen!“
    „Haben Sie eine Frau? Kinder?“
    „Weder noch.“
    „Dann tun Sie, was Sie nicht lassen können.“

6
    In der Umhängetasche befanden sich Kerzen. Was sonst noch, erfuhr Werner zunächst nicht. Sir Darren stellte sieben davon in einer Reihe auf, in zehn Meter Abstand zur Hausfront. Während der Brite die Kerzen mit einem Feuerzeug entzündete, die mittlere zuerst, die äußeren zuletzt, blickte Werner zu den Fenstern im ersten Stock hinauf. Hinter einem der Fenster schien sich etwas zu bewegen, doch als er Sir Darren darauf aufmerksam machen wollte, nickte dieser nur unwillig.
    Sir Darren nahm eine karierte Decke aus seiner Tasche und breitete sie auf dem Gras aus. Dann kniete er sich darauf wie auf einen Gebetsteppich. Werner wartete auf eine Einladung, es ihm gleichzutun, doch sie erfolgte nicht – obwohl auf der Decke genügend Platz für sie beide gewesen wäre. Drei Minuten lang versank der Mann in völliger Stille. Werner räusperte sich mehrmals und blieb ein paar Schritte hinter Sir Darren und seiner Barriere aus Kerzen stehen. Was merkwürdig war: Eigentlich durften die kleinen, flackernden Flammen im Tageslicht kaum auffallen, trotzdem schien sich zwischen ihnen eine leuchtende Linie zu bilden, die sich sogar über die Enden der Reihe hinaus fortsetzte.
    „Welche Seelen sind hier?“, fragte Sir Darren leise.
    Er wartete, wiederholte seine Frage, wartete noch ein wenig und stellte sie zum dritten Mal.
    Eine der inneren Flammen erlosch. Sie wurde nicht ausgeblasen, sondern schrumpfte und verschwand, als würde ihr der Sauerstoff entzogen.
    „Der Baron!“, entfuhr es Werner.
    „Scht!“, machte Sir Darren. Und dann fragte er die Luft, den Garten, das Haus: „Welche Seelen sind noch hier?“ Abermals brauchte es drei Wiederholungen, bis eine Reaktion eintrat. Diesmal zuckte die Flamme ganz links außen, erlosch aber nicht.
    Der Wind? Oder der schüchterne Hauch einer zweiten Seele? In den Dokumenten war immer nur von einer die Rede gewesen. Werner kniff die Augen zusammen. Wieder blickte er zu der Fensterreihe hinauf. Wieder glaubte er eine Bewegung zu erkennen.
    Erneut fragte Sir Darren, doch so oft er seine Frage auch wiederholte, es geschah nichts mehr. Er erhob sich, entzündete die erloschene Kerze, sodass die Reihe wieder vollständig war.
    „Bewohner von Schloss Falkengrund“, wisperte der Brite. „Wollt Ihr mir Eure Namen nennen?“ Er benutzte die Mehrzahl, also maß er dem Flackern der äußersten Kerze eine Bedeutung zu.
    Diesmal brauchte es keine drei Anläufe. Die Frage löste eine unmittelbare Reaktion aus, aber eine, mit der Werner (und wohl auch Sir Darren) nicht gerechnet hatte. Die Kerzen explodierten wie Sprengkörper. Bruchstücke aus Wachs schossen durch die Luft, und während Werner nur kleine Teile abbekam, griff sich Sir Darren mit einem Aufschrei an die Stirn und stürzte zu Boden. Als Werner einen Schritt in seine Richtung machte, um ihm aufzuhelfen, polterte etwas Schweres von innen gegen die geschlossene Tür, und er zuckte zurück. Es knisterte, und Werner erkannte, dass die Wiese brannte. Nein, nicht brannte, sondern verkohlte. Grashalme und Kräuter färbten sich schwarz und verdorrten, ohne in Flammen zu stehen. Die Erde blieb unversehrt. Das Phänomen begann direkt vor der Tür und setzte sich rasend schnell fort. Dünne Zungen aus Dunkelheit leckten über die Wiese.
    Sir Darren rappelte sich auf, jagte los und achtete dabei darauf, nicht auf die dunklen Stellen zu treten. Im Nu war er an dem zögernden Werner vorbei. Werner trat auf eine der
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