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Falkengrund Nr. 31

Falkengrund Nr. 31

Titel: Falkengrund Nr. 31
Autoren: Martin Clauß
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Ihre Augen waren feucht geworden, aber sie hatte nicht den Mut, sie sich zu wischen. Es würde vorübergehen. Dummerweise wusste sie nicht, ob er sie ansah. Es hätte sie sehr beruhigt, wenn er es nicht getan hätte.

7
    Sanjay hatte darauf bestanden, mit von der Partie zu sein, wenn Margarete, Michael und Traude nach Karlsruhe fuhren. Sie war es, die die Idee mit dem Tank gehabt hatte, und sie pochte auf ihr Recht, die Gruppe zu chauffieren und ebenfalls einen Blick auf ihr kupfernes Spiegelbild zu werfen. Ihre Kommilitonin Melanie riet ihr davon ab, wie sie ihnen überhaupt abriet, mit Michael und Traude nach Karlsruhe zu fahren. Ihr eigenes Erlebnis hatte sie vorsichtig gemacht. Von dem Mann, für den man sehr viel übrig hatte, nahezu getötet zu werden, war keine Erfahrung, die man so einfach abhaken konnte.
    Werner hatte einen anderen Vorschlag gehabt: Er riet dazu, Georg als Aufpasser mitzunehmen. Georg war stark genug, um Michael und Traude in Schach zu halten, selbst wenn sie sich unter dem fremden Einfluss wie Besessene aufführen sollten. Doch Margarete widersprach. Georg war ein zu großes Risiko. Falls er selbst ausrastete, würde ihn so schnell niemand aufhalten können.
    Aber galt das nicht letztlich für sie alle?
    Margarete durfte als die einzig Unbedenkliche gelten, denn sie würde ihr Spiegelbild nicht sehen und konnte also auch nicht davon hypnotisiert werden.
    Aber Sanjay hatte auch da ihre Zweifel. Wer oder was war schon unbedenklich in dieser Welt?
    Schon die Fahrt nach Karlsruhe war eine psychologische Tortur. Margarete hatte auf dem Beifahrersitz platzgenommen, stumm und in sich gekehrt, völlig eingemummt, von den schweren Winterstiefeln über den Ledermantel bis hin zu dicken Wollhandschuhen. Obwohl Sanjay die Heizung aufdrehte, schien die Dozentin zu frösteln und legte nicht einmal die Handschuhe ab. Hinten saßen Michael und Traude, Michael mit dem ahnungslos-freudigen Blick eines Kindes, dem man einen lustigen Ausflug versprochen hatte, das faltige kleine Gesicht der Gunkel zu einer leichenhaften Fratze erstarrt. Margarete hatte Traude von dem Kupfertank erzählt. Allerdings hatte sie die Geschichte etwas modifiziert und behauptet, sie würden den Tank nutzen, um die Seele Michaels endlich in dessen Körper zu versetzen.
    Es würde mich nicht wundern, wenn genau das passieren würde , dachte Sanjay skeptisch. Auch ohne dass Margarete es will. Bei uns geschieht das Unerwartete häufiger als das Erwartete.
    Michael entwickelte auf der Fahrt den üblichen Appetit. Die drei Tüten Kartoffelchips, die er als Wegzehrung mitgenommen hatte, waren schon bald leer. Sanjay, die über Offenburg fuhr, musste beim dortigen MacDonalds eine Pause für ihn einlegen.
    Würde der Golem noch den gleichen Hunger haben, wenn er seine Seele bekommen hatte? Hing der Appetit damit zusammen, dass der magische Körper besonders viel Energie brauchte, um nicht zu zerfallen? Oder aß Michael aus Frustration darüber, dass er nicht er selbst war?
    Michael schien sich nicht vor Traude zu fürchten. Sie hatte ihn einen Zombie genannt, ein geistloses Gefäß. Ihn störte das nicht. Es war unmöglich, ihn zu verärgern.
    Auch Sanjay fror. Sie hatte leichte Schuhe mit dünnen Sohlen angezogen, weil sie mit diesen am besten Auto fahren konnte. Sie liebte es, genau zu spüren, wie die Pedale gegen ihre Fußsohlen drückten. Es war die Grundlage ihrer gefühlvollen Fahrweise. Auch sonst war sie eher zu leicht gekleidet für die Jahreszeit und für diesen besonders garstigen Tag.
    Als sie vom Schloss aufgebrochen waren, hatte es große Flocken geschneit, und sie waren den Weg nach Wolfach im Schneckentempo hinabgekrochen. Der Schnee war immer feuchter geworden, je tiefer sie kamen, und nun fiel ein widerliches Schnee-Regen-Gemisch in Strömen vom bleigrauen Himmel.
    Sanjay fand die Adresse in Karlsruhe auf Anhieb. Die Asservatenkammer war im Untergeschoss eines Gebäudes untergebracht, das zum Amtsgericht gehörte. Die Studentin entdeckte Dirk Fachingers Wagen auf dem Parkplatz und parkte direkt daneben. Überrascht stellte sie fest, dass der Hauptkommissar aus Freudenstadt noch hinter dem Steuer saß.
    Er war nicht leicht zu erkennen, denn wie in solchen Fällen üblich, war der Schneeregen gerade zur Hochform aufgelaufen und überflutete die Windschutzscheibe mit seinen zähen Schlieren.
    „Warten wir noch, bis es nachlässt?“, erkundigte sich Sanjay.
    „Wir haben einen Termin“, widersprach die Gunkel scharf. Es war
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