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Falkengrund Nr. 31

Falkengrund Nr. 31

Titel: Falkengrund Nr. 31
Autoren: Martin Clauß
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entwickelt. Vielleicht nicht das, was wir eine ausgeprägte Persönlichkeit nennen würden. Aber er hat eine gewisse Intelligenz und … Ansätze eines Charakters.“
    „Nein, ich glaube, wir überschätzen ihn, wenn wir ihm einen echten Charakter zuschreiben. Er ist einfach da . Sein Verhalten ist … indifferent. Er hat keine Meinung, keine Interessen. Man kann nicht mit ihm streiten.“
    „Vielleicht, weil er ruhig und zurückhaltend ist, freundlich und ausgeglichen. Und das sollen wir durch eine zänkische, rechthaberische Seele ersetzen?“
    Werner fiel nichts mehr darauf ein. Mit der freien Hand rieb er sich die Augen. Jene, die noch immer Margaretes Hand festhielt, fühlte sich schweißnass an, doch es schien ihr nichts auszumachen.
    Nicht, dass er ihre Bedenken nicht verstanden hätte. Natürlich hatte sie Recht. Doch sie konnten die Lösung des Problems nicht ewig auf die lange Bank schieben! Die Spannung wurde immer größer. Traude Gunkel – oder die Seele, die in ihr war – hatte eine Art Kampfansage gemacht. Werner hatte den Eindruck, dass sie notfalls auch über Leichen gehen würde, um den Körper zu bekommen, von dem sie glaubte, dass er ihr gehörte. Sicher konnte er Traude aus der Schule entlassen. Oder Michael an einen anderen Ort bringen, wo er von ihr getrennt war. Aber würde das nicht dazu führen, dass Traude zum offenen Angriff überging? In der alten Frau schlummerte ein schwer einzuschätzendes Gefahrenpotenzial. Niemand konnte vorhersagen, wozu sie sich hinreißen ließ, wenn sie alles auf eine Karte setzte.
    „Es muss doch eine Lösung geben“, sagte er hilflos.
    „Ich hätte unter Umständen eine Idee“, meldete sich Sanjay, die eben in den kurvigen Weg einbog, der zum Schloss hinauf führte. Die Fahrt näherte sich ihrem Ende.
    „Ja?“, reagierten Werner und Margarete unisono.
    Die junge Frau mit der samtig glänzenden braunen Haut lächelte ihnen aus dem Rückspiegel entgegen. Natürlich konnte die Dozentin das Lächeln nicht sehen. „Ich weiß nicht, ob es etwas bringt. Aber man bräuchte eine Methode, Michael und Traude etwas genauer auf den Zahn zu fühlen. Mehr über ihr Inneres zu erfahren, über ihre Motivationen, über ihre verborgenen Gefühle. Bevor man etwas Unüberlegtes tut.“
    „Ja, und?“ Werner verstand nicht.
    „Hypnose zum Beispiel“, präzisierte Sanjay. „Oder etwas anderes, um unter die Oberfläche zu blicken. Mir ist etwas eingefallen, was mir Melanie einmal erzählt hat. Sie hatte doch dieses Erlebnis in dieser Hütte im Wald.“
    Werner merkte auf. „Die Sache, als Artur des Mordes angeklagt wurde?“ (Siehe Falkengrund Nr. 6 „Tod in Kupfer“)
    „Ja. Er ist ausgerastet und auf Melanie losgegangen. Und warum? Da war ein Tank, aus Kupfer. Melanie meinte, die verzerrten Spiegelbilder in dem Tank würden verborgene Seiten der Menschen zum Vorschein bringen, die hineinsehen, Potentiale, Möglichkeiten.“
    Margarete nickte langsam. „Ich erinnere mich. Melanie hat mir seinerzeit davon berichtet. Ich nehme an, es war eine Art Spukphänomen. Der Tank muss unter dem Einfluss von etwas gestanden haben. Genaueres haben wir nie herausgefunden. Wir hatten damals andere Sorgen.“
    „Wir haben immer andere Sorgen“, bemerkte Werner deprimiert.
    Sanjays Augenpartie im Spiegel drückte hohe Konzentration aus. „Könnten wir denn nicht interessante Dinge über Michael und Traude erfahren, wenn wir sie einmal mit diesem Tank konfrontieren würden?“, fragte sie.
    „Das ist denkbar“, meinte Margarete. „Es gibt einige Leute, die ich gerne mal vor einen solchen Spiegel setzen würde. Am besten die ganze Welt. Aber ich fürchte, es wird nicht zu machen sein. Wo sollen wir das Ding jetzt herkriegen? Es ist bestimmt längst verschrottet worden.“
    „Das bezweifle ich“, widersprach die Studentin. „Es ist ein Beweisstück in einem Mordfall. Das alles liegt erst ein halbes Jahr zurück. So schnell vernichtet man diese Dinge nicht.“
    „Das stimmt“, fügte Werner hinzu. „Gegenstände, die im Zusammenhang mit Verbrechen stehen, werden bei der Polizei in besonderen Lagerräumen aufbewahrt. Asservatenkammer nennt man so etwas. Dort bleiben sie, bis sie ihre Relevanz verloren haben. Das können Monate oder Jahre sein, bei ungelösten Fällen manchmal auch Jahrzehnte.“
    „Das heißt, dieser Tank steht noch irgendwo in Polizeiräumen herum?“, rekapitulierte Margarete.
    „Bestimmt. Die Frage ist nur, wie wir da rankommen.“
    „Nichts leichter
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