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Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum
Autoren: Charles Bukowski
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Schürze rein, lehnte die Schöpfkelle an die Tür und verließ diesen Laden.

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    Das Hotel Sans war das beste in ganz Los Angeles. Es war ein altes Hotel, aber es hatte Klasse, und es hatte eine Ausstrahlung, wie sie die neueren Hotels nicht zu bieten hatten. Es war downtown, direkt gegenüber vom Park.
    Das Hotel wurde bevorzugt von Geschäftsleuten, die dort ihre Jahresversammlungen abhielten, und von teuren Nutten, die über beinahe legendäre Talente verfügten – es hieß, daß sie nach einem besonders lukrativen Abend sogar die Liftjungen ranließen. Es gab auch Stories von Liftjungen, die Millionäre geworden waren – knallharte Burschen mit 30 cm langen Schwänzen, die das unverschämte Glück gehabt hatten, eine reiche alte Dame kennenzulernen und von ihr geheiratet zu werden. Und das Essen, die HUMMER; und die riesigen schwarzen Küchenchefs mit ihren hohen weißen Mützen; diese Kerle kannten sich nicht nur mit dem Essen aus, sondern mit dem Leben und mit mir und überhaupt mit allem.
    Ich wurde der Mannschaft an der Laderampe zugeteilt. Diese Laderampe hatte Stil: für jeden Lieferwagen, der ankam, gab es zehn Typen, die ihn ausladen sollten, obwohl man höchstens zwei dafür gebraucht hätte. Ich erschien immer in meinen besten Klamotten zur Arbeit. Ich machte nie einen Finger krumm.
    Wir, d. h. die anderen, luden alles aus, was angeliefert wurde; hauptsächlich waren es Fressalien. Meiner Schätzung nach aßen die Reichen offenbar mehr Hummer als sonstwas. Kistenweise rollten die Hummer an, groß und rosarot und appetitlich, bewegten die Zangen, waberten mit den Fühlern.
    »Die Dinger machen dir Appetit, was, Chinaski?«
»Yeah. Oh yeah«, sabberte ich.
    Eines Tages rief mich die Dame aus dem Personalbüro zu sich. Das Personalbüro war hinten bei der Laderampe. »Chinaski, ich möchte gern, daß Sie sonntags das Büro übernehmen.« – »Was hab ich zu tun?« – »Sie nehmen die Telefonanrufe entgegen und stellen die Tellerwäscher für sonntags ein.« – »Mit dem allergrößten Vergnügen.«
    Der erste Sonntag verlief gleich sehr gemütlich. Ich saß erst mal nur rum. Dann kam ein alter Knabe rein.
»Yeah, Kumpel?« sagte ich. Er trug einen guten Anzug, aber der war zerknittert und ein bißchen verdreckt, und die Ärmel begannen vorne gerade auszufransen. Er hielt seinen Hut in der Hand. »Sagen Sie«, fragte er mich, »brauchen Sie jemand, der gute Konversation macht? Jemand, der die Gäste empfangen und unterhalten kann? Ich verfüge über ein gewisses Maß an Charme, ich erzähle nette Geschichten, ich kann die Menschen zum Lachen bringen.«
»Yeah?«
»Oh ja.«
»Dann bring mich mal zum Lachen.«
»Oh, Sie verstehen nicht, ich brauche dafür die geeignete Atmosphäre, die Stimmung, das Décor, wissen Sie …«
»Bring mich zum Lachen.«
»Sir …«
»Ich kann dich nicht gebrauchen. Du bist ne Niete!«
    Die Tellerwäscher wurden um Mittag angeheuert. Ich trat aus dem Büro. Vierzig Penner standen da. »All right, also wir brauchen fünf gute Männer! Fünf gute! Keine Süffel, keine Perversen, keine Kommunisten und keine Kinderschänder! Und eine Sozialversicherungskarte müssen sie haben! All right, raus mit den Dingern und hoch damit!«
    Raus kamen die Karten. Sie wedelten damit.
»Hey, ich hab eine!«
»Hey, Kumpel! Hier drüben! Gib mir ne Chance!« Ich sah sie mir der Reihe nach an. »Okay, du da mit der Scheiße am Hemdkragen …« Ich zeigte auf ihn. »Komm her.«
    »Das ist keine Scheiße, Sir. Das ist Soße.«

    »Na, ich weiß nicht, Sportsfreund. Ich hab eher den Eindruck, du nagst mehr an Mösen rum als an Roastbeef!«

    »Ah, hahaha«, machten die Penner. »Ah, hahaha!«
    »Okay, jetzt brauch ich noch vier gute Tellerwäscher! Ich hab hier vier Pennies in der Hand. Die schmeiß ich jetzt in die Luft. Die vier Männer, die mir einen Penny bringen, dürfen heute Teller abwaschen!«
    Ich warf die Pennies hoch über ihren Köpfen in die Luft. Sie sprangen danach, fielen übereinander, Kleider gingen in Fetzen, es wurde geflucht, ein Mann schrie auf, mehrere Schlägereien brachen aus. Dann kamen nacheinander die vier Glücklichen nach vorn, schwer atmend, jeder mit einem Penny in der Hand. Ich gab ihnen ihre Arbeitsausweise und schickte sie rein in die Kantine, wo sie erst mal abgefüttert wurden. Die übrigen Penner schlurften langsam ans Ende der Rampe, sprangen herunter, gingen die Gasse entlang und verschwanden in der sonntäglichen Öde von downtown Los Angeles.

85
    Die
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