Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum
Autoren: Charles Bukowski
Vom Netzwerk:
einen hohen Aufbau mit einer zerfledderten Zeltplane. Wir drängelten und schubsten, versuchten aber gleichzeitig einen Rest von Anstand zu wahren. Schließlich wurde mir die Arbeit mit den Ellbogen zuviel, und ich steckte zurück.
Es war erstaunlich, wie viele Menschen man auf dieser Ladefläche unterbringen konnte. Der große mexikanische Vorarbeiter stand hinten drauf und trieb die Leute zur Eile an. »All right, all right, auf gehts, auf gehts …«
Die Männer bewegten sich langsam voran, als ginge es in das Maul eines Walfischs.
Durch die zerrissene Zeltplane an der Seite des Lastwagens konnte ich ihre Gesichter erkennen; sie redeten leise miteinander; ihre Gesichter lächelten. Trotzdem hatte ich etwas gegen sie. Ich fühlte mich ausgesperrt. Dann sagte ich mir, daß ich mit Tomaten schon fertig werden würde, und ich beschloß mitzufahren. Jemand rempelte mich von hinten. Es war eine dicke Mexikanerin; sie wirkte ziemlich aufgelöst. Ich packte sie um die Hüften und half ihr rauf. Sie war sehr schwergewichtig, und sie war so unförmig, daß man nicht recht wußte, wo man anfassen sollte. Schließlich kriegte ich etwas zu fassen; es fühlte sich an, als stecke mein Arm bis zum Ellbogen in ihrer Möse. Ich wuchtete sie hoch. Dann langte ich rauf und versuchte einen Halt zu finden, um mich hochziehen zu können. Ich war der letzte in der Schlange.
Der mexikanische Vorarbeiter stellte seinen Fuß auf meine Hand. »Nein«, sagte er, »wir sind voll.«
Der Motor sprang an, stockte, ging wieder aus. Der Fahrer trat nochmal auf den Anlasser. Diesmal klappte es. Sie fuhren los.

87
    Workmen For Industry lag unmittelbar am Rand des Elendsviertels. Die Penner dort waren besser angezogen, jünger, aber genauso lustlos. Sie hockten auf den Fenstersimsen, wärmten sich in der Sonne auf und tranken den Kaffee, der bei W. F. I. kostenlos ausgeschenkt wurde. Man mußte ihn ohne Zucker und Milch trinken, aber er kostete nichts. Es gab hier keinen Maschendraht, der uns von den Angestellten trennte. Die Telefone klingelten häufiger, und die Angestellten waren wesentlich gelassener als die vom Farm Labor Market.
    Ich ging an den Schalter und erhielt eine Karte und einen Bleistift, der an einer dünnen Kette festgemacht war. »Füllen Sie das aus«, sagte der Angestellte, ein junger Mexikaner, der einen ganz angenehmen Eindruck machte, obwohl er sein freundliches Naturell hinter einem professionellen Gehabe zu verstecken suchte.
    Ich begann die Karte auszufüllen. Bei »Adresse und Telefon« machte ich einen Strich hin. Bei »Schulbildung und Qualifikation« schrieb ich: »2 Jahre L.A. City College, Journalismus und Kunstgeschichte.«
    Dann sagte ich zu dem Jungen: »Ich hab mich verschrieben. Kann ich ne neue Karte haben?«
Er gab mir eine. Diesmal schrieb ich: »L.A. High School mit Abschluß. Expedient, Lagerarbeiter und ähnliche Tätigkeiten. Einige Kenntnisse in Maschinenschreiben.«
Ich gab die ausgefüllte Karte zurück.
»All right«, sagte der Junge, »setzen Sie sich hin, und wenn was reinkommt, rufen wir Sie auf.«
Ich fand noch einen freien Platz auf einem Fenstersims und setzte mich hin. Ein alter Schwarzer saß neben mir. Er hatte ein interessantes Gesicht; nicht den üblichen resignierten Gesichtsausdruck wie wir anderen. Er sah aus, als versuche er über sich und uns alle zu lachen.
Er merkte, daß ich ihn von der Seite ansah. Er grinste. »Der Typ, dem der Laden hier gehört, hat was los. Wurde bei Farm Labor gefeuert, kriegte ne Wut, kam hier runter und hat diesen Laden hier aufgezogen. Spezialisiert sich auf Teilzeit-Jobs. Wenn einer ’n Güterwaggon schnell und billig ausgeladen haben will, ruft er hier an.«
»Yeah, hab davon gehört.«
»Da hat einer ’n Güterwaggon und will ihn schnell und billig ausgeladen haben, und da ruft er hier an. Der Typ hier kassiert 50%. Aber wir beklagen uns nicht. Wir nehmen, was wir kriegen können.«
»Soll mir recht sein. Shit.«
»Du siehst ziemlich geknickt aus. Probleme?«
»Hab ne Frau verloren.«
»Wird nicht die letzte gewesen sein, die du verlierst.« »Wo verschwinden die bloß alle hin?«
»Versuch mal was von dem hier.«
Er hatte eine Tüte mit einer Flasche drin. Ich nahm einen Schluck. Portwein.
»Thanks.«
»In der Gosse landen die Weiber jedenfalls nicht.«
Er reichte mir wieder die Flasche herüber. »Paß auf, daß er uns nicht sieht. Wenn er hier einen saufen sieht, wird er sauer.«
Während wir aus der Flasche tranken, wurden mehrere Männer aufgerufen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher