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Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum
Autoren: Charles Bukowski
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Augenbrauen waren buschig. Er rauchte eine lange dünne Zigarre. »Hi, Kid«, sagte er. Von einem französischen Akzent merkte man bei ihm kaum etwas.
    Maurice hockte sich auf den Packtisch und schlug die Beine übereinander.
»Ich hab gedacht, Sie reden nichts«, sagte ich.
»Ach so, das. Pfft. Für das Volk hier würde ich doch nichtmal auf eine Fliege pissen. Was solls.«
»Wieso kommt es, daß Sie im Dunkeln das Scheißhaus aufwischen?«
»Das liegt an Mary Lou. Ich seh sie mir an, dann geh ich da rein, und schon geht mir einer ab, und der ganze Fliesenboden schwimmt. Dann wisch ichs halt wieder auf. Sie weiß es.«
»Sie malen auch?«
»Ja. Ich hab in meiner Bude gerade ein Bild in Arbeit. So groß wie diese Wand da. Kein Fresco. Leinwand. Ich male das ganze Leben eines Menschen – von dem Moment, wo er aus der Vagina kommt, die ganzen Jahre seines Lebens, bis schließlich ins Grab. Ich seh mir die Leute im Park an. Das sind meine Modelle. Diese Mary Lou, das wäre wirklich was für die Matratze, was?«
»Vielleicht, ja. Könnte mirs ganz schön märchenhaft vorstellen.«
»Ich habe in Frankreich gelebt, habe Picasso kennengelernt.«
»Ach wirklich?«
»Shit, und ob. Er ist ganz in Ordnung.«
»Wie haben Sie ihn denn kennengelernt?«
»Einfach bei ihm angeklopft.«
»War er sauer?«
»Nee, überhaupt nicht.«
»Manche Leute haben was gegen ihn.«
»Manche Leute haben gegen jeden was, der berühmt ist.« »Und manche haben gegen jeden was, der es nicht ist.«
»Auf die Leute kommts nicht an. Für die würde ich nichtmal auf ne Fliege pissen.«
»Was hat denn Picasso so gesagt?«
»Naja, ich hab ihn gefragt … ich hab gesagt: ›Meister, was kann ich tun, damit meine Bilder besser werden?‹«
»Ohne Flachs?«
»Ohne Flachs.«
»Und was hat er gesagt?«
»Er hat gesagt: ›Zu Ihren Bildern kann ich Ihnen nichts sagen. Das müssen Sie alles ganz allein tun.‹«
»Ha.«
»Tja.«
»Ziemlich gut.«
»Ja. Hast du mal Feuer?«
Ich gab ihm welches. Seine Zigarre war ausgegangen.
»Mein Bruder ist reich«, sagte Maurice. »Er hat mich enterbt. Es paßt ihm nicht, daß ich trinke. Und daß ich male, paßt ihm auch nicht.«
»Aber Ihr Bruder hat nie Picasso kennengelernt.«
Maurice stand auf und lächelte.
»Nee, Picasso hat er nie kennengelernt.«
Maurice ging wieder den Gang runter, nach vorn in den Laden. Zigarrenqualm waberte über seine Schultern nach hinten. Meine Streichhölzer hatte er behalten.

76
    Bud kam nach hinten und schob drei 4-Liter-Dosen Farbe auf dem Bestellwagen vor sich her. Er stellte sie mir auf den Packtisch. Auf den Etiketten stand karmesinrot. Er drückte mir drei Etiketten in die Hand. Darauf stand zinnoberrot.
    »Das Zinnoberrot ist uns ausgegangen«, sagte er.
    »Kratzen Sie die Etiketten von den Dosen ab, und kleben Sie die mit zinnoberrot drauf.«
»Zwischen Karmesin und Zinnober ist aber ein ziemlicher Unterschied«, sagte ich.
»Tun Sie, was ich sage.«
Er ließ mir eine Rasierklinge und ein paar Putzlappen da. Ich machte die Lappen naß, wickelte sie um die Dosen und weichte die Etiketten ein. Dann kratzte ich die alten Etiketten ab und klebte die neuen drauf.
Ein paar Minuten später kam er wieder. Er hatte eine Dose ultramarin und ein Etikett für kobaltblau. Naja, damit kam er der Sache schon näher …

77
    Paul war einer der Angestellten aus dem Laden. Er war ungefähr 28 und dick. Seine Augen waren sehr groß und quollen heraus. Er war Pillenfresser. Er zeigte mir eine Handvoll, lauter verschiedene Größen und Farben.
    »Willst’n paar?«
»Nee.«
»Komm schon. Nimm dir eine.«
»Na, meinetwegen.« Ich nahm mir eine gelbe.
    »Is’n verfluchtes Zeug«, sagte er, »aber ich nehm sie alle. Manche wollen mich aufpulvern, manche wollen mich runterbringen. Ich laß sie um mich kämpfen.«
»Das soll einem aber schwer an die Substanz gehen.«
    »Weiß ich. Sag mal, wie wärs, wenn du nach Feierabend mit zu mir in die Bude kommst?«
»Ich hab eine Frau.«
»Frauen haben wir alle. Ich hab was Besseres.«
»Was denn?«
»Meine Freundin hat mir zum Geburtstag so einen Apparat zum Schlankwerden gekauft. Wir ficken auf dem Ding. Es geht rauf und runter, wir brauchen überhaupt nichts zu machen. Der Apparat nimmt uns die ganze Arbeit ab.«
»Das hört sich gut an.«
»Wir beide könntens auf dem Apparat mal machen. Er macht einen Haufen Radau, aber solang wir ihn nach 10 Uhr abends nicht laufen lassen, isses okay.«
»Und wer steigt bei wem drüber?«
»Spielt doch keine Rolle, oder? Ich
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