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Fahrt ohne Ende

Fahrt ohne Ende

Titel: Fahrt ohne Ende
Autoren: Arno Klönne
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Befehl, die Geschütze abzumontieren, auf bereitgestellte Fahrzeuge zu laden und sich »zwecks Bodeneinsatz« nach Westen zu begeben.

     
    Die Geschütze montierten sie ab. Aber dann ließ der Leutnant die Jungen antreten und sagte:
    »Ich halte es für meine Pflicht, euch zu sagen, daß der Krieg verloren ist. Daß jeder weitere Einsatz wenigstens hier im Westen sinnlos ist — meiner Überzeugung nach. Mein letzter Befehl an euch ist: Es tue jeder, was sein Gewissen ihm vorschreibt! Ich meinerseits werde in der brennenden Stadt bei einem Räumkommando helfen, und nichts anderes mehr!«
    Die meisten entschieden sich dafür, zu versuchen, irgendwie zu ihren Angehörigen draußen im Land durchzukommen. Ein paar, die in der Stadt noch Leute sitzen hatten, und einige andere, darunter Wolf, setzten sich mit dem Leutnant zusammen in der Stadt bei Löschtrupps, Bergungskommandos und ähnlichem ein. Die Geschütze wurden von den Fahrern ein Stück zur Front hingeschafft, dort bildeten sie einen Teil der großen Konkursmasse der deutschen Wehrmacht.
    Jene letzten Tage waren grauenhaft. Am 18. April kapitulierten die deutschen Einheiten im Ruhrgebiet. Am 25. April vereinigten sich Amerikaner und Sowjets an der Elbe bei Torgau.
    Der Krieg war zu Ende. Aber die Trümmer lagen da, die Trümmer der Städte, der Dörfer, die Trümmer eines ganzen Landes. Und die Toten würden tot bleiben.
     

15. Kapitel
    GOTTES FEUER
     
    NACH DER KAPITULATION des Ruhrkessels hatte sich Wolf zu seinen Eltern und Schwestern in die neue Heimat — eine Kleinstadt in Hessen — durchgeschlagen. In den ersten Jahren nach dem Krieg erging es ihm wie den meisten anderen auch: man war vollauf damit beschäftigt, für das tägliche Brot, für eine halbwegs anständige Wohnung und bald dann auch für das näherrückende Abitur zu sorgen.
    Wolf unterschied sich auch sonst kaum von den »meisten«; vielleicht, daß er ein wenig stiller und nachdenklicher war als die neuen Kameraden, die nicht allzuviel vom Krieg gespürt hatten.
    Nach und nach erhielt Wolf Nachricht, was aus den anderen Jungen der Gruppe geworden war: Kostja war wieder in der Stadt, auch Peter und Klaus; Hans saß irgendwo in Süddeutschland, Rainer in Westfalen; Hepp war in den letzten Kriegstagen schwer verwundet worden und lag noch in einem Lazarett in Mitteldeutschland; Pit saß in einem amerikanischen Gefangenenlager, und Tim war gefallen in der Schlacht um Berlin.
    Wolf wechselte manchmal Briefe mit Peter und Klaus. Aber diese Briefe sorgten nur dafür, daß die Verbindung nicht ganz abriß. Wolf war außerdem sehr in Anspruch genommen von den Erfordernissen des Tages. Er hatte Abstand gewonnen von den Nöten jener Tage. Er hatte Abstand genommen auch zu dem, was einmal sein Leben ausmachte.
    Die Altersgenossen in der neuen Heimat holten ihn manchmal in ihre neu erstandenen Gruppen und Jugendkreise. Dann saß Wolf da, machte ein bißchen mit, aber nur mit halbem Herzen und dem Wunsch, möglichst bald wieder nach Haus und an seine Arbeit gehen zu können. Denn diese Leute taten ja, als ob zwischen 1933 und 1945 nichts geschehen wäre. Aber vielleicht war es auch so? Vielleicht war alles nur ein Traum?
    Wolf gab sich einen Ruck: nein, ein Traum war es nicht, ganz und gar nicht. Aber es war vorbei, für ihn wenigstens. Ob auch für die anderen, für Kostja, Hepp, Klaus, Peter, Rainer? Er wußte es nicht. Man wußte überhaupt so wenig voneinander. Wahrscheinlich war das ganz natürlich so: einmal ging jeder seine eigenen Wege, lebte sein eigenes Leben und ließ das Gewesene hinter sich als eine mitunter leicht sentimentale Jugenderinnerung, etwas, das man an Feiertagen und in stillen Stunden einmal hervorholte und mit einem Gemisch von Stolz und Trauer besah, aber mit der Gewißheit, daß es vorbei war, endgültig vorbei...
    Schluß, sagte sich Wolf, und machte sich an seine Alltagsarbeit.
    Die Jahre nahmen ihren Weg. Eines Tages hatte es Wolf geschafft: er hatte das Abitur in der Tasche, hatte einige Aussicht auf einen Platz an der juristischen Fakultät der nahen Universität und ebensoviel Aussicht auf ein mit der Zeit auch bequemer und angenehmer werdendes Leben, trotz aller Entbehrungen, die die Jahre noch fordern würden.
    Klaus und Peter, die in der Stadt noch ein halbes Jahr später dran waren mit dem Abitur als Wolf, hatten ihm schriftlich gratuliert. Neulich sei Hans zu Besuch in der Stadt gewesen, hatten sie geschrieben, er habe sehr nach ihm, Wolf, gefragt und werde ihm
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