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Fahrt ohne Ende

Fahrt ohne Ende

Titel: Fahrt ohne Ende
Autoren: Arno Klönne
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abgebrannten Streichhölzern an den Augenbrauen des Priesters herum und stellte fest:
    »So, ein bißchen verändert haben Sie sich schon, Hochwürden, mehr können wir im Augenblick nicht tun, außerdem wird‘s die höchste Zeit, daß wir hier verschwinden!«
    Ein kleiner Handwagen wurde herbeigeschafft, Wolf zog ebenfalls eine alte Jacke über seine fliegerblaue Hose, und dann schoben die beiden, Wolf und der Priester, hinter der Karre her durch die Stadt. Zwei Leute, die eine Karre mit ein paar Koffern vor sich herschoben, waren in jenen Tagen nichts Außergewöhnliches; so kamen sie ohne Zwischenfall zur Friedrichstraße. Wolf dachte immer nur: wenn bloß noch das Haus von dem guten Mann steht!
    Eine ganze Reihe von Häusern war auch in der Friedrichstraße zerstört. Aber »ihr« Haus stand noch da. Es war ein bißchen beschädigt, aber es stand. Wolf ging hinein. In einer Werkstatt hinter dem Hause fand er zwar nicht seinen alten Bekannten, wohl aber dessen Vater. Wolf erklärte, wer er sei und worum es ging.
    »Tscha«, meinte der Alte, nahm die Mutz aus dem Mund und sah sich Wolf aus seinen alten, aber sehr wachen Augen an, »ich weiß noch ganz gut, wie das damals war, mein Junge hat nachher noch oft drüber gesprochen. Kurz bevor er eingezogen wurde zur Wehrmacht«, der Mann sprach das Wort so gedehnt, daß man spürte, wie sehr er es haßte, »da hat er mir noch gesagt: ,Vater, wenn der Junge von damals mal hier auftaucht, dann weißt du, was zu tun ist.‘ Na, und ich meine ja auch, das ist doch klar, daß ich dich nicht im Stich lasse.«
    Der Mann schloß die Tür der Werkstatt ab, und sie gingen ins Haus. Wolf holte auch den Priester herein. In der Küche hantierte eine ältere Frau am Herd herum.
    »Das ist meine Frau«, sagte der Alte; die Frau wischte sich die Hände an der Schürze ab und gab den beiden Besuchern die Hand. »So, dann will ich euch mal ne Tasse Kaffee kochen«, meinte sie.
    »Tu das, Mutter«, der Alte setzte sich jetzt auch, stopfte die Pfeife neu, zündete an und sagte, indem er das Streichholz in den Kohlenkasten beförderte:
    »Nu mal Nägel mit Koppen«, und zu dem Priester gewandt: »Wer Sie sind und worum es geht, das brauchen Sie mir nicht zu erklären, das weiß ich.«
    »Sie wissen...? Ja, woher denn?«
    »Hä, die Gestapo hat ja viele von uns geholt und weiß Gott wohin geschleppt oder umgebracht, aber kaputtgekriegt hat sie unsern Laden nicht!« Der Mann grinste: »Meistens wissen wir genau so gut wie die Gestapo, was in der Stadt passiert, und manchmal noch besser als die Bande!«
    Der Mann stand auf und nahm einen alten, abgerissenen Notizblock vom Schrank.
    »So, dann wollen wir mal sehen — am Donnerstag fährt ein Kumpel von mir mit ‘nem Lkw. nach Baden ‘runter, der muß Maschinenteile nach Mannheim bringen, da können wir Sie wegschaffen von hier, und in Mannheim, da stecken ne ganze Masse Leute von lins, da sind Sie in Sicherheit.«
    »Oh, das wäre nicht mehr, schwer, wenn ich erst da unten wäre, ich hab‘ dort auch ein paar Freunde..., aber meinen Sie, daß ich ungeschoren in dem Lkw. aus dem Westen ‘rauskomme?«
    »Wenn nichts Außergewöhnliches dazwischen kommt, ja. Ich besorge nämlich Papiere als ,Beifahrer‘ für Sie, Sie werden sehen: ganz ausgezeichnete Papiere. Und bis Donnerstag können Sie bei mir bleiben, wenn irgendwo in der Stadt, dann sind Sie in unserer Ecke hier in Sicherheit. Wissen Sie weshalb? Wenn die Gestapo uns alles zutraut, aber daß wir für die ,Schwarzen‘ was riskieren, das traut sie uns nicht zu!«
    Der Mann lachte. Wolf sah zur Uhr: er hatte seinen Urlaub schon längst überschritten 1
    »Ich muß gehen. Hoffentlich klappt alles.« Er gab beiden die Hand.
    »Keine Sorge, mein Junge. Schließlich machen wir so‘n Ding nicht zum ersten Mal.«
    Zwei Wochen später erhielt Wolf Nachricht, daß der Priester in Süddeutschland in Sicherheit sei. Wolf besuchte dann auch den Alten in der Friedrichstraße noch einmal, um ihm für seine Hilfe zu danken.
    »Das war doch selbstverständlich, nee, Junge, da brauchst du keine Worte mehr drum zu machen. Ja, das hat ganz schön hingehauen, diese Sache. Aber so hundertprozentig sicher war das von vornherein nicht. Ich hab‘ bloß den Sicheren markiert, um deinen Mann nicht noch mehr in Erregung zu bringen, der war ja mit den Nerven fertig, das sah jeder. Ist ja auch kein Wunder, wenn man so gejagt wird…«.
     
    * * *
     
    Im Juni 1944 brach der »Atlantikwall«: alliierten Truppen
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