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Fahr zur Hölle Mister B.

Fahr zur Hölle Mister B.

Titel: Fahr zur Hölle Mister B.
Autoren: Clive Barker
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darum bitten.«
    »Oh, nun höre sich das einer an«, beschimpfte der Erzbischof sie. »Wo ist dein Sinn für Prioritäten? Und während du darüber nachdenkst, solltest du dich auch fragen, warum die Dämonation Kontrolle über einen Apparat haben will, der fade Kopien von Büchern herstellt, deren einziger Anspruch auf Bedeutung ihre Seltenheit war? Ich kann mir keinen sinnloseren Grund vorstellen, wieso die beiden Hälften unserer gespaltenen Nation sich bekämpfen sollten, als diesen.« Er sah Gutenberg an. »Wie heißt das Ding?«
    »Druckerpresse«, sagte Hannah. »Als ob du das nicht wüsstest. Hier kannst du keinen täuschen, Dämon.«
    »Ich sage die Wahrheit.«
    »Fade Kopien!«
    »Was könnten sie sonst sein?«, konterte der Erzbischof nachsichtig.
    »Hört sich an, als würde dich das interessieren«, stellte Hannah fest.
    »Tut es nicht.«
    »Und warum bist du dann bereit, für dieses Ding, dessen Namen du nicht einmal kennst, in den Krieg zu ziehen?«
    »Ich wiederhole: Wir müssen einander wegen Gutenbergs Erfindung nicht an die Kehlen gehen. Der Krieg lohnt sich nicht, und das wissen wir beide.«
    »Und doch kehrst du nicht in deinen luxuriösen Palast zurück.«
    »Es ist kaum ein Palast.«
    »Es ist kaum weniger.«
    »Ich lasse mich nicht zu kleinkarierten Einschätzungen herab.« Der Erzbischof tat den fruchtlosen Wortwechsel mit einer Handbewegung ab. »Ich gebe zu, ich kam zuerst hierher, weil ich neugierig war. Ich weiß nicht, ich hatte mit einer Art von Wundermaschine gerechnet. Doch jetzt sehe ich sie, und sie ist kein bisschen wundersam, oder? Nichts für ungut, Herr Gutenberg.«
    »Also gehst du?«, fragte der Engel Hannah.
    »Ja. Wir gehen. Wir haben hier nichts mehr verloren. Und ihr?«
    »Wir gehen ebenfalls.«
    »Ah.«
    »Wir haben oben zu tun.«
    »Dringend, ja?«
    »Sehr.«
    »Nun denn.«
    »Nun denn.«
    »Dann sind wir uns ja einig.«
    »Ja, wahrlich, wir sind uns einig.«
    Danach herrschte Schweigen. Der Erzbischof betrachtete seine warzigen Knöchel. Hannah blickte geistesabwesend ins Leere. Die einzige Geräuschkulisse bildete das Rascheln der Gewänder, in die Hannah gehüllt war.
    Das Geräusch weckte meine Aufmerksamkeit, und ich sah zu meiner Überraschung, dass schwarze und rote Stränge durch die ansonsten dezenten Farben und Bewegungen der Gewänder des Engels Hannah schossen. War ich der Einzige in der Kammer, dem das auffiel? Das war doch gewiss ein Beleg dafür, dass der Engel bei aller Gelassenheit die Wahrheit nicht unterdrücken konnte, auch wenn es nur für ein paar Sekunden war.
    Dann hörte ich von anderswo, möglicherweise aus der Werkstatt hinter mir, ein anderes Geräusch. Eine Uhr tickte.
    Immer noch bewegte sich niemand.
    Tick. Tick. Tick. Tick.
    Und dann standen Hannah und der Erzbischof gleichzeitig auf … als wären sie in vollkommener Übereinstimmung, soweit es Politik und Geduld betraf. Beide stemmten die Hände mit den Knöcheln nach unten auf die Tischplatte, beugten sich nach vorn, redeten aufeinander ein. In ihrem rechtschaffenen Zorn klangen ihre Stimmen so ähnlich, dass man sie kaum voneinander unterscheiden konnte und ihre Worte zu einem einzigen, endlosen und unverständlichen Satz gerieten:
    … warum hast du nicht das Heilige oh ja du kannst heilig nicht wahr du hast recht was sind Worte und diese Angelegenheit Ernte einfahren keine Bücher ist es nicht so vergeblich gelb kein Blut auf dieser ganzen ja voll und ganz …
    Und so weiter, während alle in dem Raum meinem Beispiel folgten und sich entweder auf den Erzbischof oder auf Hannah konzentrierten, um zu entschlüsseln, was sie sagten, um dadurch die Beiträge des jeweils anderen zu der hitzigen Diskussion besser erahnen zu können. Ich sah es jedoch keinem Einzigen an, ob diese Taktik von Erfolg gekrönt war. Sämtliche Mienen blieben verwirrt und frustriert.
    Und weder der Dämon Erzbischof noch der Engel Hannah ließen erkennen, dass ihr Sperrfeuer der Worte nachließ. Ihre beiderseitige Wut eskalierte sogar mehr und mehr, und die Energie, die ihr Misstrauen und ihr Zorn erzeugten, bewirkte, dass die Geometrie des Raumes, die eben noch so makellos gewirkt hatte, aus den Fugen geriet. Es mag sich verrückt anhören, wie das geschah, aber ich will Ihnen, so gut ich es vermag, aufrichtig schildern, was ich mit meinen Augen sah, und ich hoffe, dass mein Wortschatz ausreicht, die Paradoxe zu beschreiben, von denen ich berichten muss.
    Sie näherten sich einander – der Teufel und der Engel
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