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Fahr zur Hölle Mister B.

Fahr zur Hölle Mister B.

Titel: Fahr zur Hölle Mister B.
Autoren: Clive Barker
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am anderen. Sie sog Leuchtkraft aus dem perfekten Stein des Raumes, sodass sie für mich wieder etwas mehr Ähnlichkeit mit der Hannah Gutenberg besaß, der ich im Haus begegnet war, aber sie trug Gewänder aus gerafftem Licht, das langsam und feierlich um sie herumwallte.
    Fünf weitere Personen saßen an dem Tisch. Gutenberg selbst, ein, zwei Schritte weiter davon entfernt, zwei Engel und zwei Teufel, die ich beide nicht kannte, in umgekehrter Position, sodass sich Engel und Teufel, Teufel und Engel gegenübersaßen.
    An den Steinmauern standen, mit dem Rücken zur Wand, mehrere Zuschauer, darunter alle, die an den Geschehnissen in der Werkstatt beteiligt gewesen waren. Quitoon stand dort, auf der anderen Seite des Tisches, nicht weit von dem Erzbischof entfernt, und auch Peter (noch ein Engel, der sich in Gutenbergs engstem Kreis aufgehalten hatte), ebenso wie der Dämon, der die Scherben der Fensterscheibe in mörderische Waffen verwandelt hatte. Und der zum Engel gewordene Arbeiter, der mich verwundet hatte. Die vier, fünf weiteren kannte ich nicht; möglicherweise Mitspieler, deren Auftritt mir entgangen war.
    Ich hatte den verborgenen Raum mitten in einer Rede des Erzbischofs betreten.
    »Lächerlich!«, sagte er und zeigte über den Tisch auf Hannah. »Bildest du dir allen Ernstes ein, ich hätte auch nur einen Augenblick geglaubt, dass du die Druckerpresse tatsächlich vernichten wolltest, nachdem du dir solche Mühe gegeben hast, sie zu beschützen?«
    Mehrere Mitglieder der versammelten Schar ließen zustimmendes Murmeln ertönen.
    »Wir wussten nicht, ob wir zulassen sollten, dass der Apparat existiert, oder nicht«, antwortete der Engel Hannah.
    »Du hast dich – wie lange? – 30 Jahre als seine Frau verkleidet.«
    »Ich habe mich nicht verkleidet. Ich war seine Frau und werde es immer sein, da ich das Gelübde abgelegt habe –«
    »Als Angehörige des Menschengeschlechts –«
    »Was?«
    »Du hast ihm als Menschenfrau die eheliche Treue geschworen. Aber du bist eindeutig kein Mensch, und es wäre vermutlich eine ziemlich langwierige und fruchtlose Debatte, was dein wahres Geschlecht ist.«
    »Wie könnt Ihr es wagen!«, brauste Gutenberg auf und stand so schnell auf, dass sein Stuhl umkippte. »Ich will nicht so tun, als verstünde ich genau, was hier vor sich geht, doch –«
    »Oh, bitte«, knurrte der Erzbischof, »verschone uns mit dem Schauspiel deiner geheuchelten Unwissenheit. Wie kannst du damit verheiratet sein?« Er zeigte mit dem prunkvoll geschmückten Finger auf den Engel Hannah. »Und dann zu behaupten, dass du nicht einmal gemerkt hast, was es wirklich ist.« Seine Stimme klang belegt vor Abscheu. »Es schwitzt die Exkremente seiner Leuchtkraft regelrecht aus jeder Pore.«
    Jetzt erhob sich auch Hannah, deren Lichtgewand in Wallung geriet.
    »Er wusste gar nichts«, sagte sie zu dem Erzbischof. »Ich habe ihn in der Gestalt einer Frau geheiratet und gab diese Gestalt bis heute nicht auf, als ich sah, dass das Ende nahe war. Wir waren Mann und Frau.«
    »Darum geht es nicht«, erwiderte der Erzbischof. »So realistisch du im Lauf der Jahre auch die Titten hängen lassen mochtest, du warst ein Bote Gottes und hast die Interessen deines Herrn gewahrt. Kannst du das leugnen?«
    »Ich war seine Frau!«
    »Kannst. Du. Das. Leugnen?«
    Eine Pause. »Nein«, sagte der Engel Hannah dann.
    »Gut. Jetzt kommen wir ein Stück weiter.«
    Der Erzbischof zupfte sich mit dem Zeigefinger am Kragen. »Liegt es an mir, oder ist es heiß hier drin? Können wir nicht ein paar Fenster erschaffen, damit frische Luft hereinkommt?«
    Ich erstarrte, als ich das hörte, denn ich befürchtete, sollte ihn jemand beim Wort nehmen, könnte er die offene Tür sehen und mich entdecken. Aber dem Erzbischof war offenbar doch nicht so warm, dass er sein Verhör Hannahs aufzugeben bereit gewesen wäre. Ehe jemand versuchen konnte, den Raum abzukühlen, löste er das Problem auf drastischere Weise.
    »Ich bin dieser verfluchten Kleidungsstücke überdrüssig«, sagte er. Er zerrte an seinen Kirchengewändern, die sofort rissen, so schwer die juwelenbesetzten Stoffe auch waren. Dann entfernte er das goldene Kreuz, das er um den Hals trug, und die Ringe, die vielen, vielen Ringe. Er warf sie auf den Boden, wo sie von einem weiteren Feuer verzehrt wurden, dessen Flammen an mehreren Stellen außerhalb meines getrübten Blickfeldes loderten. Die Flammen glichen ein wenig einer Fäulnis, die sich durch die falschen heiligen
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