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Fächerkalt

Fächerkalt

Titel: Fächerkalt
Autoren: Bernd Leix
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kalter Nord-Ost pfiff seit dem frühen Morgen durch das Rheintal. Brütend
heiße Sommerhitze war ihm ein Gräuel, doch diesen schneidenden Wind vertrug er ebenso
wenig. Er ging durch Mark und Bein. Vielleicht war es die Erinnerung an die grausige
Kälte im Silberstollen, vielleicht auch an die eisige Stimmung im steinernen Todeshaus
von Knielingen.
    Oskar Lindt
hatte sich gewappnet, doch lange Unterhosen, gefütterte Lodenjacke und dicke Winterstiefel
boten dem Wind nur eine Zeit lang Widerstand. Nach einer Dreiviertelstunde trat
er von einem Bein aufs andere, schlug den Kragen hoch und zog sich die Wollmütze
tiefer über die Ohren. Keine Chance, der Kälte zu trotzen. Er sah nur einen Ausweg,
er musste sich bewegen. Die erstaunten Blicke der Kollegen ignorierte er und verließ
wortlos den Ort der Exhumierung.
    Der Kommissar
schritt zügig aus. Am frühen Morgen waren nur wenige Besucher auf dem Friedhof unterwegs
und so wurde sein Gedankenstrom kaum abgelenkt.
    Angenommen,
überlegte er, angenommen, das Labor bestätigte die Theorie durch die DNA-Analyse,
dann kamen völlig neue Tatmotive ins Spiel. Neue Motive und neue Verdachtsmomente.
    Er bog in
einen schmalen Seitenweg ein. Doch was nützten die ganzen Vermutungen ohne schlüssige
Beweise?
    Sollte er
Konstantin von Villing brutal in einer harten Vernehmung mit diesen Überlegungen
konfrontieren? Auch wenn von Villing bei der letzten Befragung einen recht glaubwürdigen
Eindruck hinterlassen hatte, so war bisher sicherlich nur die Spitze des Eisberges
zu sehen. Ein kalter Eisberg, dessen wahre Ausmaße Lindt momentan nur ahnte. Wie
konnte er sie sichtbar machen?
    Von Villing
hatte mit Sicherheit noch nicht alles preisgegeben, was er wusste. Wie konnte man
es aus ihm herauslocken?
    Lindt stampfte
mit dem Fuß auf. »Zum Verrücktwerden!«, ärgerte er sich lautstark. Erschrocken flüchtete
ein dunkelbraunes Eichhörnchen auf eine hohe, alte Buche und schimpfte erbost aus
sicherer Höhe zurück.
    »Ja, ja«,
rief der Kommissar hinauf. »Du hast es gut. Jetzt Nüsse sammeln und in ein paar
Tagen ab in den Winterschlaf.«
    Okay, irgendwann
zwischendrin aufwachen und mühevoll im gefrorenen Boden die versteckte Nahrung ausbuddeln,
war ja nicht besonders angenehm, doch was wusste so ein kleines Tier schon von der
bösen Menschheit? Es würde sich völlig unbeschwert auf einen Ast setzen und die
ausgegrabenen Haselnüsse knacken.
    Insofern
glichen sie sich wieder, der füllige Kommissar und das schlanke Hörnchen. Knacken,
sagte er zu sich. Sie müssten ihn richtig knacken. Bisher hatten sie es ihm ja nur
angedroht und sich recht nett und anständig mit ihm unterhalten, aber nun musste
es sein. In die Mangel nehmen, unter Druck setzen, so lange, bis die Schale zerbrochen
war und der Kern frei lag. Wie einen Schutzpanzer trug er diese harte Hülle. Wogegen
musste er sich schützen? Gegen seinen Vater, der nicht sein Vater war? Gegen sein
ganzes Leben, das seit Jahren abwärts führte? Gegen ein Familiengeheimnis, bei dem
sie gerade dabei waren, es zu lüften?
    »Knacken«,
sagte Lindt zu Paul Wellmann, als er zurück war und in das offene Loch hinabsah.
»Seine harte Schale hat schon einige Risse. Uns fehlt nur das richtige Werkzeug,
sie vollständig zu öffnen.«
    Wellmann
verstand sofort, worüber der Kommissar sprach.
     
    Die Grube konnte recht schnell wieder
verfüllt werden, denn die Kriminaltechnik nahm nur einige wenige Proben von den
Gebeinen und gab bereits nach einer Viertelstunde das Zeichen: »Wir sind fertig.«
    Bereits
gegen 10 Uhr waren sämtliche Spuren beseitigt und die Grabstelle sah aus, als wäre
sie lediglich vom Gärtner neu bepflanzt worden.
     
    »Eine Feuerbestattung hätte unsere
Pläne durchkreuzt«, meinte Paul Wellmann später im Präsidium.
    »Glück gehört
halt auch zu unserem Geschäft«, antwortete Oskar Lindt und überlegte, wie das weitere
Vorgehen aussehen sollte.
    Leider traf
in diesem Moment eine traurige Nachricht ein. Trödel-Willi war am frühen Morgen
nach mehrtägigem Koma im städtischen Klinikum verstorben. Die Neurochirurgie hatte
wieder einmal ihre Grenzen erkennen müssen und es trotz aller operativen und intensivmedizinischen
Bemühungen nicht geschafft, ihn am Leben zu erhalten.
    Jean Hambacher
und der von ihm angeheuerte Schläger hatten jetzt langjährige Gefängnisaufenthalte
zu erwarten.
    Völlig unbekannt
war bisher der Verbleib des Land Rover Discovery, den Irene Stoll gefahren hatte.
»Jede Wette, den hat
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