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Fächerkalt

Fächerkalt

Titel: Fächerkalt
Autoren: Bernd Leix
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antwortete
Lindt. »Vielen Dank für Ihre Mithilfe. Ob sich das strafmildernd auswirken wird,
kann ich Ihnen leider nicht versprechen. Und wenn wir jetzt wieder um Ihre Hände
bitten dürfen.«
    Sternberg
ließ die Handschellen klicken und führte Jean Hambacher hinaus zum Gefangenentransporter.
     
    »Und nun Teil zwei«, verkündete
Lindt. »Ludwig, du bist dran.«
    Willms stieg
die Holztreppe zur Galerie empor. Oben angekommen nahm er ein langes Seil, das er
zuvor dort deponiert hatte, band es am Geländer fest und ließ es nach unten fallen.
»Genau an der Stelle, wo wir durch Abkleben die Faserspuren sichern konnten. Hanf
übrigens, kein Kunststoff.«
    Unten am
Seil war ein Besen festgeknotet, den die Technik exakt auf die Länge von 1,68 Metern
gekürzt hatte. Zwischen Fußboden und den Borsten blieben etwa 30 Zentimeter Luft.
    Willms kam
von der Galerie herunter und fing an zu dozieren: »Was wir nun prüfen wollen, ist
die Frage, ob die Person, die hier gehangen hat, von einem der Möbelstücke abgesprungen
sein könnte.«
    Es war totenstill
im Raum. Eine unheimliche Betroffenheit ergriff alle Anwesenden. Willms schnappte
sich den Besen und stellte ihn senkrecht nacheinander auf alle damit erreichbaren
Teile.
    »Die Besenlänge
entspricht exakt der Körpergröße von Irene Stoll«, erklärte er und verkündete das
Ergebnis: »Diese Truhe und der nächststehende Polsterstuhl könnten infrage kommen.
Sämtliche anderen Stücke sind entweder zu weit entfernt oder die Kräfte beim ruckartigen
Abbremsen wären so hoch gewesen, dass ein Genickbruch hätte vorliegen müssen.«
    Dr. Adelheid
Salzmann, die ebenfalls zum Ortstermin gebeten worden war, hatte dieser Aussage
nichts hinzuzufügen.
    Oskar Lindt
ließ zwei Minuten verstreichen, ehe er das Wort ergriff: »Das war keine schöne,
aber eine notwendige Vorführung. Nun wissen wir mit Sicherheit, dass ein Suizid
von Irene Stoll keinesfalls auszuschließen ist.«
    Das Seil
mit seinem starren Ende pendelte langsam aus.
    Nach und
nach wandten sich die Anwesenden ab und zogen es vor, sich ins Freie zu verziehen,
doch auch dort konnte sich niemand wohlfühlen. Die Kälte der Steine ringsum ging
allen durch und durch.
    Um Viertel
nach elf wurde Konstantin von Villing gebracht. Ohne anzuhalten, fuhr der Kastenwagen
in den Hof. Trotz heftiger Gegenwehr stand von Villing wenig später vor dem Fahrzeug.
Zwei Uniformierte schleppten ihn auf Lindts Geheiß direkt in die Scheune.
    Als er sah,
was dort auf ihn wartete, begann er zu schwanken. Er wäre sicherlich zusammengebrochen,
hätten die beiden Polizisten ihn nicht aufrecht gehalten. Ein Heulkrampf erfasste
ihn. Lindt hatte diese Reaktion einkalkuliert und wartete ab.
    Nach einigen
Minuten beruhigte sich der Gefangene allmählich.
    »Wir haben
leider keine andere Möglichkeit gesehen, es Ihnen zu erleichtern, sich zu erinnern.
Haben Sie Ihrer Tante wirklich hier die Schlinge um den Hals gelegt und sie anschließend
dort hochgezogen?« Der Kommissar deutete nach oben zum Geländer.
    Von Villing
hatte Mühe, ein Wort herauszubringen. Zuerst schüttelte er nur den Kopf. Etwas später
würgte er hervor: »Nein, nein. Jetzt bin ich mir sicher. Ich habe sie genau so hier
vorgefunden.«
    »Kein Zweifel
mehr?«
    »Nein, kein
Zweifel. Ganz bestimmt.« Er zögerte, dann begannen seine Augen leicht zu glänzen.
»Danke. Danke, dass sie diese Last von mir genommen haben.«
    Lindt ließ
ihm etwas Zeit, ehe er fragte: »Wie haben Sie Ihre Tante abgenommen? Können Sie
uns das zeigen?«
    Von Villing
schrie auf: »Nein, bitte, das bitte nicht!«
    »Gut, damit
wollen wir Sie nicht plagen. Ludwig, würdest du bitte …?«
    Willms kam
der Aufforderung nach, knotete den Besen ab, ging mit ihm zum Barockschrank, entriegelte
die Türen und hielt das Teil hinein. »Die Höhe passt«, verkündete er. »Und auch
an dem Querholz hier oben konnten wir Fasern vom Seil sicherstellen.« Er verschloss
den Schrank und band den Besen erneut fest.
     
    In diesem Moment bog ein weiterer
Transporter in den Hof. Das Kennzeichen ›TI‹ verriet, aus welchem Schweizer Kanton
das Fahrzeug stammte. Waldemar Küttel stieg als Erster aus und umarmte wortlos seinen
Kollegen Oskar Lindt.
    Im nächsten
Moment wurde die Schiebetür aufgeschoben. Der große, kahlköpfige und bartlose Mann
starrte hasserfüllt aus seinen dunklen Augen auf die Anwesenden.
    Lindt war
bis zum Äußersten angespannt. Er fasst sich an den Kopf. Die Wunde schmerzte wieder
und seine Stimme
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