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Fächerkalt

Fächerkalt

Titel: Fächerkalt
Autoren: Bernd Leix
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den Rückweg.«
    Direkt auf
dem Bergrücken ließen sie sich hinter zwei großen Felsbrocken nieder. Küttel zog
ein grün gummiertes Teleskop-Fernrohr auseinander und brachte es auf dem querliegenden
Rucksack in Stellung. Peinlich genau achtete er darauf, dass kein Sonnenstrahl auf
das dunkel schimmernde Objektiv fallen und durch eine Reflexion ihren Auftrag gefährden
konnte.
    Das Bild
in der 25-fachen Vergrößerung zeigte Idylle pur. Der einsame Berghof auf der Gegenseite
des engen Tales lag im vollen spätsommerlichen Sonnenschein. Eine Ziegenherde graste
oberhalb des Hauses und aus dem Schornstein stieg Rauch auf.
    »Observation
heißt warten«, meinte Waldemar. »Das ist für uns ja nichts Neues.« Abwechselnd spähten
sie durch das Fernrohr. Lange Zeit blieben Ziegen die einzigen Lebewesen in ihrem
Blickfeld.
    Es dauerte
eine Dreiviertelstunde, bis jemand aus dem Haus trat. Schnell schraubte Küttel einen
Adapter an das Okular und montierte eine digitale Spiegelreflexkamera daran. Jetzt
war der Blickwinkel des Fernrohrs auf dem Display des Fotoapparats zu sehen. »Weiblich«,
stellte er fest. »Hält einen Korb in der Hand. Entfernt sich vom Haus. Ah, sie geht
zu den Bäumen dort. Natürlich, das Fallobst.«
    Zehn Minuten
beobachteten sie die Frau, wie sie sich immer wieder bückte und Apfel für Apfel
in den Korb warf.
    Plötzlich
erschien eine weitere Person. »Endlich.« Er drehte am Fernrohr und stellte die Vergrößerung
auf die höchste Stufe: 50-fach. »Mann … Mann und Hund!«
    »Der Hund
passt.« Sein Kollege reichte ihm das Foto aus dem Tierheim. »Aber der Mann? Einen
weißen Bart hat der jedenfalls nicht.« Das Bild, das Jan Sternberg in die Schweiz
gemailt hatte, lag vor den Lauernden auf dem Rucksack.
    »Abrasiert?
Das Alter könnte passen. Ein Jüngling ist der da drüben jedenfalls nicht.« Küttel
betätigte den Auslöser. Immer und immer wieder.
    »Schwer
zu sagen, ob es dieser Eduard von Villing ist. Blöde Mütze, die er aufhat.«
    »Vielleicht
fällt sie ihm ja mal vom Kopf, wenn er sich bückt.« Das passierte nicht, doch ein
tief hängender Zweig des Apfelbaumes meinte es gut mit ihnen. Als die Mütze daran
hängen blieb, drückte Küttel auf den Knopf. Zehn Bilder gelangen ihm, ehe die Kappe
wieder auf dem Schädel saß.
    Küttel war
zufrieden. »Ja! Das war gut! Hol das Notebook.«
    Ruckzuck
war eine Kabelverbindung zwischen der Kamera und dem Tablet-PC hergestellt. Als
sie dessen Monitor abgeschattet hatten, konnten sie die Fotos erheblich besser betrachten
als auf dem viel kleineren Kameradisplay. Ein paar Mausklicks und die fünf besten
Bilder waren über die eingebaute UMTS-Card unterwegs nach Karlsruhe.
    Küttel zog
sein Mobiltelefon aus der Brusttasche und wählte eine Nummer. »Oskar, schnell an
den PC. Schaut euch unsere Fotos an.« Er legte auf.
    Bereits
zwei Minuten später meldete sich Lindt: »Bravo, das ist er. Zwar ohne Bart, trotzdem
sind wir uns einig. Ihr habt ihn.«
    »Bisher
nur als Bild«, antwortete Waldemar, »den Rest hab ich vorbereitet.«
    »Seht euch
bloß vor. Du weißt ja, wie es uns ergangen ist. Der Kerl schießt scharf.«
    »Wir auch,
Oskar. Aber keine Sorge, wir bringen ihn dir lebend.«
     
    Gegen halb drei in der Nacht schlug
der Hund an. Schlaftrunken zog die Bäuerin des Berghofes die Gardine ihres Schlafzimmerfensters
zur Seite. Entsetzt schrie sie auf: »Es brennt! Der Geißenstall! Schnell, komm!«
Im Nachthemd rannte sie barfuß die Treppe hinunter und riss die Haustür auf. Der
Mann, nackt bis auf eine Unterhose, folgte dicht hinter ihr.
    Flackernder
Feuerschein erhellte den Nachthimmel.
    Die vier
schwarzgekleideten Gestalten im Schatten der Hauswand hatten leichtes Spiel.
    »Fertig!«,
hallte es durch die Nacht. Das Feuer erlosch.
    Der große
graue Hund gab wütend Laut, aber er traute sich nicht, zuzubeißen.
    Der Rest
der Nacht verlief ruhig. Während die Bewohner, die Hände mit Kabelbindern auf den
Rücken gefesselt, bewacht am Kachelofen saßen, durchsuchten sechs Mann des Einsatzkommandos
das Haus. Der Revolver, Kaliber .44 Magnum, lag im Nachttisch.
    Der Hubschrauber
landete beim ersten Tageslicht. Er musste zweimal fliegen, um die Gefangengenommenen
und alle vermummten Polizisten nach Lugano zu bringen.
    Die Besitzerin
des abgelegenen Hofes wurde nach einer mehrstündigen Vernehmung wieder auf freien
Fuß gesetzt. Hinter Eduard von Villing dagegen schloss sich eine massive Zellentür.
     
    Oskar Lindt war entsetzt. »Was?«,
stammelte
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