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Fächergrün

Fächergrün

Titel: Fächergrün
Autoren: B Leix
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gewinnen.«
    »Aber nicht zu fest drücken«, war alles, was Oskar Lindt antworten konnte, denn mittlerweile war seine persönliche Erschöpfungsgrenze bereits weit überschritten.
    Das Personal von Feuerwehr und Kriminaltechnik hatte zwischendurch gewechselt, auch Staatsanwalt Conradi war nach Hause gefahren, nur Lindt, seine beiden engsten Mitarbeiter und der KTU-Chef hielten noch durch.
    »14 Uhr Besprechung«, ordnete der Kommissar an. »Wir brauchen jetzt dringend ein paar Stunden Schlaf.« Er schaute in die Runde: »Alle noch fahrtüchtig? Wer nicht mehr kann, lässt sich ins Büro bringen und pennt dort eine Weile.«
    »Und was ist mit dir, Oskar?« Wellmann schaute ihn durchdringend an.
    »Bis in die Waldstadt werd ich es schon schaffen.«
    Auch sein Kollege traute sich die Strecke bis Neureut noch zu. Das ausgeschüttete Adrenalin sorgte dafür, dass die Müdigkeit etwas in Schach gehalten wurde.
    Nur Jan Sternberg und Ludwig Willms nächtigten im Präsidium und verfielen dort sekundenschnell in Tiefschlaf.
    Bei Oskar Lindt allerdings war es haarscharf. Er hatte gegen Mitternacht bei Carla angerufen, dass es noch unbestimmte Zeit gehen würde. Das war nichts Besonderes. Solche Einsätze kamen zwangsläufig hin und wieder vor, und so hatte sie sich schon seit Langem daran gewöhnt, auch mal alleine schlafen zu gehen.
    Doch in dieser Nacht hatte sie einen sehr unruhigen Schlaf und schreckte gegen halb sechs Uhr hoch. Leer, das Bett neben ihr war nach wie vor leer. So lange? Dauerte der Einsatz immer noch an?
    Ganz benommen stand sie auf und zog den Rollladen etwas nach oben. Schlagartig war sie hellwach.
    Vor der Garage stand der schwarze Mercedes und … das Herz blieb ihr fast stehen, über das Lenkrad gebeugt hing …
    In panischer Eile warf sich Carla Lindt den Morgenmantel über, griff die Schlüssel vom Haken im Flur, eilte die Treppe hinunter und aus dem Haus bis zum Dienstwagen des Kommissars.
    Sie packte den Griff, zog daran und riss die Fahrertür auf. »Oskar!«
    Zu Tode erschrocken, schoss Lindt wie eine Rakete in die Höhe. »Was? Wo?« Dann erblickte er Carla, schlang die Arme wieder um das Lenkrad und stammelte: »Weiter hab ich’s nicht mehr geschafft.«
     
    Um zwölf wachte der Kommissar erneut auf. Dieses Mal in seinem eigenen Bett. Auf dem gedeckten Küchentisch fand er eine Thermoskanne mit Kaffee. In die Tüte mit frischen Brötchen lugte er nur kurz hinein, um sie lustlos zuzudrücken. Appetit? Nein. Nur etwas Kaffee mit viel Milch.
    Schade, dass Carla nicht da sein konnte. Er wählte die Nummer der Anwaltskanzlei, in der sie arbeitete. »Hätte dich jetzt gut hier brauchen können.«
    Fürs Duschen brauchte er doppelt so lange wie üblich, und erst, als er frische Kleider angezogen hatte, fühlte er sich wieder einigermaßen fit.
    Beim Einsteigen ins Auto schaute er zurück zum Haus. Auf dem Balkon schaukelten seine Kleider im leichten Wind. Carla hatte sie sofort nach draußen befördert. Ob einmal waschen reichen würde, um den Gestank zu vertreiben?
     
    Im Anwesen Maiwald in der Lachnerstraße waren die Arbeiten von Spurensicherung und Gerichtsmedizin bereits abgeschlossen. Die Leichen hatte man in die Rechtsmedizin nach Heidelberg gebracht, unzählige Proben waren bereits vor Ort genommen, jede einzelne Fundstelle genau fotografiert und vermessen worden.
    Eine Gruppe von Feuerwehrleuten in Gummianzügen säuberte den Keller mit Heißwasser aus einem Hochdruckreiniger, andere waren dabei, die losgehämmerten Betonbrocken in eine bereitgestellte Schuttmulde zu verladen. Noch in der Nacht hatte Lindt angeordnet, die Gräber vollständig zu beseitigen und keine leeren Körperformen zurückzulassen. Die Presse war vollständig vom Schauplatz ferngehalten worden, damit nur sorgfältig ausgesuchte Fotos der Polizei an die Öffentlichkeit gelangen konnten.
    Auch wenn sie schon seit Stunden abtransportiert worden waren, lag der Gestank von 14 faulenden Körpern wie ein schweres Leichentuch über dem Innenhof, und die brütende Mittagshitze zwischen den hohen Gründerzeitfassaden sorgte dafür, dass er nicht so schnell verflog.
    Ein Cabrio, dachte Oskar Lindt und öffnete schnell wieder das Schiebedach seiner schweren Limousine. Ich hätte mir ein Cabrio aussuchen sollen. Das würde einen schönen frischen Fahrtwind geben. Er wusste, dass dieser Geruch aus der Oststadt lange an ihm haften würde – selbst dann, wenn niemand ihn mehr riechen könnte.
     
    Die Besprechung um zwei Uhr
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