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Facetten der Lust

Facetten der Lust

Titel: Facetten der Lust
Autoren: K Marcuse
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mitschwang. Mein Gott, flirtete sie etwa? Was dachte sie sich dabei? Er war es, Ryan, der Nachbarsjunge, der sie schon im Sandkasten gezwickt und mit Sand beworfen hatte, von dem sie seit Kindertagen träumte und der sie immer ignoriert oder geärgert hatte.
    Ryans Blick wurde eindringlicher. Sie spürte ihn fast wie eine Berührung auf der Haut. „Wie geht es deiner Mutter und deiner Schwester?“, lenkte Annabelle das Gespräch in unverfänglichere Bahnen.
    „Denen geht es fantastisch. Deshalb bin ich hier. Joanna hat ihr erstes Kind bekommen. In zwei Tagen ist die Taufe. Ich kann zwar ihren Mann nicht ausstehen, aber sie scheint glücklich zu sein.“ Ryan hatte wieder dieses verschmitzte Lächeln aufgelegt. „Und du, hast du jemanden in deinem Leben?“
    Annabelle schüttelte den Kopf. Nein, ihr Leben bestand aus Arbeit und Einsamkeit und Träumereien von unerreichbaren Männern. In den letzten zehn Jahren hatte sich tatsächlich nicht viel geändert.
    „Ich habe vor zwei Jahren eine eigene Firma gegründet“, sagte sie nicht ohne Stolz. „Wenn ich ehrlich bin, habe ich nicht viel Zeit für ein Privatleben.“
    Ryan trank seinen Espresso und sah sie über den Rand seiner Tasse hinweg an. Annabelle wurde bereits unruhig, bevor er zu sprechen begann. „Weißt du eigentlich, dass ich dich schon immer faszinierend fand?“
    Annabelle verschluckte sich an ihrem Latte. Das war nun wirklich starker Tobak. Er hatte nicht eine Gelegenheit ausgelassen, sie zu piesacken und zu ärgern.
    „Ja, klar“, presste sie zwischen Husten und Luftholen hervor. „Das hast du mit deinen Unverschämtheiten deutlich zum Ausdruck gebracht. Ich erinnere dich nur an die Götterspeisebrüste, die du mir auf dem Schulausflug ins Bett gelegt hast.“
    Ryan grinste verschämt, und trotz der alten Wut und Narben in ihrem Herzen musste Annabelle plötzlich darüber lachen. „Die haben wunderbar nach Himbeere geschmeckt. Du hättest sie kosten sollen.“
    Völlig überraschend ergriff Ryan ihre Hand. „Du warst zu verklemmt, um diese Anspielung zu verstehen.“
    Sie spürte Röte ihren Hals hinabwandern. Es war zum Heulen, dass er es immer noch schaffte, sie zu verunsichern. Was bezweckte er mit diesen Andeutungen?
    „Wir waren siebzehn. Wie hätte ich reagieren sollen? Mich lüstern darüber beugen und an den Brustwarzen saugen?“ Annabelles freie Hand begann so sehr zu zittern, dass sie das Glas Latte abstellen musste. Mann oh Mann, wie hatte er es nur geschafft, sie zu so einer Äußerung zu verleiten? Das Funkeln in seinen Augen zeigte ihr, dass er diese Szene gerade im Kopf durchspielte. Der Griff seiner Hand wurde fester, als Annabelle versuchte, sie ihm zu entziehen.
    „Eine verlockende Vorstellung, Bell.“ Wie er ihren Namen auf der Zunge rollte, ließ Gänsehaut auf ihren Armen entstehen. Kein anderer Mensch hatte sie je Bell genannt.
    „Mir scheint, du bist wirklich nicht mehr so schüchtern, wie vor zehn Jahren. Im Ernst, ich mochte dich schon damals. Immerhin habe ich dich zum Abschlussball eingeladen.“
    Ja, das hatte er getan und sie verstand bis heute nicht, warum. Sie hatte so sehr Angst vor Erniedrigung gehabt, dass sie an jenem Abend mit 39° Fieber im Bett gelegen hatte. „Warum hast du das getan?“, fragte sie flüsternd. Seit Jahren beschäftigte sie diese Frage. Nicht nur einmal hatte sie überlegt, ob da hätte mehr sein können, wenn sie nicht so feige gewesen wäre.
    „Offengestanden hatten wir einen Streich geplant.“ Annabelle sog scharf die Luft ein und funkelte ihn böse an. Hatte sie es doch gewusst.
    „Aber als ich dich am letzten Schultag, in diesem schlichten schwarzen Hosenanzug und mit undurchdringlicher Miene, gesehen habe, bereute ich es bereits. An diesem Tag habe ich deine strenge Schönheit erkannt. Wir waren alle jung und dumm. Würdest du mir die Chance geben, das wieder gutzumachen?“
    Annabelle konnte kaum noch klar denken. Die Wärme seiner Hand sickerte unaufhörlich in ihren Körper. Seine gesäuselten Worte verwirrten und berauschten sie. Er spielte mit ihr. Das hatte er immer getan. Und warum sollte er jetzt plötzlich aufrichtig sein? Er war nur drei Wochen hier. Ein kleines Abenteuer mit der verschüchterten Annabelle, und dann flog er zurück nach Afrika und ließ sie erneut mit gebrochenem Herzen zurück. Das durfte sie nicht riskieren. Sie kratzte den letzten Rest Selbstachtung zusammen und lächelte ihn unverbindlich an. „Glaubst du wirklich, ich lasse mich noch einmal
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