Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Extraleben

Extraleben

Titel: Extraleben
Autoren: Constantin Gillies
Vom Netzwerk:
scheint einfach kein Ende zu nehmen. Bringt doch alles nichts; mein eingebildetes Improvisationstalent wird es schon richten. Ich zwänge das Handheld in die Brusttasche meiner Jeansjacke. jetzt ist es ohnehin zu spät. Die Touristenparkplätze verschwinden gerade in meinem Seitenspiegel. Anstatt den üblichen Weg zur Taxivorfahrt zu nehmen, biegt der Chauffeur scharf Richtung General Aviation ab - einen Abzweig, den ich nur vom Hörensagen kenne. Die Datacorp hat also eine Privatmaschine gechartert; der Auftrag scheint wirklich dringend zu sein. Noch zwei scharfe Kurven, dann nagelt der Fahrer den Wagen mit einer Vollbremsung direkt vor einen Schlagbaum; nur Zentimeter liegen zwischen Holz und Stoßstange. Lange Sekunden verstreichen, bis der Wachmann aus seinem Häuschen zu uns rüberschlurft und mit einer Taschenlampe ein Stück Papier anleuchtet, das hinter unserer Windschutzscheibe liegt. Er nickt kurz, kriecht zurück und lässt die Schranke hoch. Noch bevor der Schlagbaum richtig oben ist, gibt der Junge schon wieder Gas - langsam hat er es wohl wirklich eilig. Unwillkürlich ziehe ich den Kopf ein, weil die Holzlatte so knapp über unser Dach zischt. Die souveräne Fassade meines Fahrers bröckelt: Er hat angefangen, seinen Kaugummi nervös durchzumahlen, während er den Wagen mit quietschenden Reifen um die Kurven prügelt. Krack, das linke Hinterrad streift einen Bordstein. Im Tiefflug geht es vorbei an den Sortierzentren der Expressdienste, den Hangars, den Parkpositionen der Billigflieger. Ich schaue mich noch einmal um und sehe auf dem Vorfeld eine alte Ju stehen, mit der am Wochenende Rundflüge über das Rheintal veranstaltet werden. Wollte ich immer mal mitmachen. Mit jedem Meter, den wir uns von den schützenden Terminals entfernen, wird der Bodennebel dichter. An der feuchten Luft merkt man, dass der Airport mitten in einem Moor liegt, auf künstlich entwässertem Boden. Schließlich sind nur noch die Piper und Cessnas der Sportflieger zu erkennen, die direkt unter den grellen Flutlichtscheinwerfern parken; alles andere verschwindet hinter einem schwarzen Vorhang. Dann haben wir unser Ziel erreicht: Auf der letzten Parkposition vor dem Stacheldrahtzaun, der den Flughafen von einem Feldweg trennt, steht unsere Maschine bereit - ein riesiger Privatjet, fast genauso groß wie Boeings der Lufthansa am Terminal C. Da der Pilot schon die Landescheinwerfer eingeschaltet hat, sind nur die Umrisse des Flugzeugs zu erkennen: eine schwarze, glänzende Röhre, die ihr Kinn arrogant aus der Nacht herausstreckt. Die Flügel recken sich weit nach hinten, wie bei einem Überschall-Kampfjet, der zum Angriff ansetzt. Als wir auf 20 Meter ran sind, geht der Blonde vom Gas - so, als ob er nicht will, dass ihn sein Chef beim Rasen erwischt. Wir scheinen erwartet zu werden: Im gleißenden Gegenlicht tanzen einige schwarze Flecken unruhig vor der Eingangstreppe hin und her. Da! Einer der Schatten hat unsere Ankunft bemerkt und rennt zu den anderen rüber. Sofort hetzt das ganze Grüppchen auf uns zu. »Okay, that's it«, erklärt der Junge am Steuer, etwas überflüssig. »Yeah«, sage ich wie immer und lächele noch mal kurz zu ihm rüber. Der Klarmacher nickt kurz; scheinbar ist er froh, den Termin doch noch geschafft zu haben. Durchatmen. Ich ziehe am Türgriff und trete in die feuchte Kälte hinaus. Plötzlich rast alles. Die drei Schatten stürzen auf den Wagen zu und umzingeln mich, eine Frau und zwei Männer. Der größere von ihnen, ein Mann Anfang sechzig mit einer Gleitsichtbrille, stellt sich vor, allerdings verstehe ich außer »Datacorp« nichts; sein Name geht im Dröhnen der Turbinen unter. Brav schüttele ich seine Hand, sage »nice to meet you«, obwohl auch er wahrscheinlich kein Wort versteht. Der zweite Mann ist ungefähr so alt wie ich und macht erst gar keinen Versuch, gegen den Lärm anzubrüllen, sondern lässt es mit einem stahlharten Handschlag bewenden. Schließlich die Frau: Anders als ihre Begleiter beugt sie sich leicht nach vorne, um sich vorzustellen, sodass ich zumindest ein paar Wortfetzen von ihrer Begrüßung verstehe. »Jeppesen International Trip Planning. Just let me know if you need anything.« Sie beugt sich zurück und fädelt eine Strähne ihrer dunklen Locken verlegen hinters Ohr, dann schaut sie die anderen Männer mit diesem Können-wir?-Blick an. Ich bilde mir ein, dass sie aussieht wie Andie MacDowell zu Zeiten von »Sex, Lies&Videotape«. Umwerfend, vielleicht blendet auch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher