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Exponentialdrift - Exponentialdrift

Titel: Exponentialdrift - Exponentialdrift
Autoren: Andreas Eschbach
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seinen Computerzeitschriften vorgelesen, die immer noch gekommen sind, weil ich es nicht fertiggebracht habe, die Abos zu kündigen. Doch, man kann eine Menge machen. Es kostet bloß auch eine Menge.« Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. »Ich hab’ gedacht, mich trifft selber der Schlag, als ich gesehen habe, was das alles kostet.«
    »Aber für so was gibt es doch Versicherungen.«
    »Ja, toll. Bernhards tolle teure private Krankenversicherung hat ihn so früh wie möglich zum Dauerpflegefall erklären lassen und an die Pflegeversicherung abgeschoben. Und was die zahlen, das reicht für gar nichts.« In ihrer Stimme zitterte etwas mit, das ein Wutanfall werden mochte oder pure Verzweiflung war. »Ich habe nicht immer in einer billigen kleinen Dreizimmerwohnung an der Hauptverkehrsstraße gewohnt und in einer Parfümerie gearbeitet, weißt du? Bernhard hat gut verdient. Er war Computerspezialist, ist in der ganzen Welt herumgekommen, in Saudi-Arabien, in Japan, den USA ... Seinen Mercedes habe ich als erstes verkauft. Weil ein Auto schnell an Wert verliert. Das Geld dafür hat gerade die Zeit überbrückt, die ich gebraucht habe, um unsere Ferienwohnung bei Alicante zu einem einigermaßen guten Preis loszuwerden. Ich habe immer gehofft, daß ich das Haus behalten kann, wenigstens das Haus, habe ich gedacht.« Sie atmete aus, das Beben in ihrer Stimme verlor sich etwas. »Den größten Teil der Möbel mußte ich auch verkaufen, als es so weit war. Ich konnte sie ja nicht alle unterbringen auf sechsundsechzig Quadratmeter.« Sie preßte dieFaust vor den Mund in dem Versuch, ein Schluchzen zu unterdrücken. »Und jetzt, gerade als das ganze Geld aufgebraucht ist, wacht er wieder auf!«
    Ein Moment des Schweigens trat ein. Man hörte den Motor knacken. Wolfgang sah sie beunruhigt an. Er hatte rauchblaue, weit auseinanderstehende Augen, und wenn ihn etwas beunruhigte, schien jedes davon ein Eigenleben zu entwickeln. »Soll ich heute abend überhaupt noch mal kommen?« fragte er schließlich. »Oder war’s das?«
    Sie sah auf ihre Hände hinab, die ihre Handtasche umschlossen, und betrachtete den schmalen Ring mit dem Diamanten. Den hatte Bernhard ihr zu Theresas Geburt geschenkt, und sie trug ihn heute zum ersten Mal wieder seit dem Tag, an dem sie die Hausschlüssel hatte hergeben müssen. Seither war sie nicht mehr in der Klinik gewesen. Sie hatte die Rechnungen bezahlt, diese horrenden Beträge, hatte voller Schuldgefühle gehofft, daß er sterben würde, ehe alles Geld aufgebraucht war, und versucht, so zu leben, als sei er schon tot.
    »Ich geh’ jetzt da rein«, sagte sie mit einem wunden Gefühl in der Brust, »und sage ihm, daß ich die Scheidung will.«
    Fortsetzung folgt ...

22. Oktober 2001
Zum ersten Mal seit dem Unglück vom Juli 2000 fliegt wieder eine Concorde von London nach New York.
    24. Oktober 2001
Die US-amerikanische Raumsonde »Odyssee« erreicht den Mars. Zu den wichtigsten Zielen der Mission gehören die Suche nach Wasser auf dem roten Planeten sowie die Erkundung von möglichen Landeplätzen.

FOLGE 5
    S IE STAND VOR dem grauen Plattenweg, den sie so lange Zeit jeden Tag gegangen war und dann so lange Zeit nicht mehr. Alles sah noch aus wie damals. Immer noch ragte die Klinik traurig-trotzig über der in Bäume und Büsche gehüllten Villensiedlung auf. Evelyn Abel war plötzlich, als habe sie die Jahre ihres selbständigen Lebens nur geträumt.
    Sie tat den ersten Schritt, und dann noch einen und noch einen, bis sie beim Haupteingang anlangte und die gläsernen Schiebetüren mit jenem diensteifrigen Ächzen vor ihr auffuhren, das sie unter allen Geräuschen dieser Welt wiedererkannt hätte. Für einen Moment vermischte der Duft der Blumen draußen sich mit dem Geruch des Krankenhauses, dem Mief aus Desinfektionsmitteln und menschlichen Ausdünstungen, und sie fühlte sich endgültig in die Vergangenheit zurückkatapultiert. In eine Zeit, in der ihr Leben zwar nicht in Ordnung, aber voller Hoffnung gewesen war.
    Heute, erkannte sie mit jähem Schmerz, war es genau umgekehrt.
    Sie hätte sich blind zurechtgefunden. Am Empfang vorbei, durch den verglasten Gang hinüber in das flache Nebengebäude, dessen Wände hellgelb gestrichen waren und trotzdem wie die eines Gefängnisses wirkten. Station C1. Noch immer herrschte hier gespenstische Ruhe, genau wie damals, als sie jeden Tag hiergewesen war, um mit Bernhard zu sprechen, ihn zu berühren, unter Anleitung der Pfleger seltsame
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