Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Expedition Mikro

Expedition Mikro

Titel: Expedition Mikro
Autoren: Alexander Kröger
Vom Netzwerk:
das noch, daß ich dich vor meinen Augen verunglücken lasse!
    dachte Chris.
    »An dem Vorschlag ist etwas«, sagte Ennil zögernd. »Das mit Gela kommt natürlich nicht in Frage, aber anweisen, Chris, kann ich euch so etwas nicht…«
    »Bitte laß das, Charles«, sagte Chris schroff. »Hilf lieber!«
    Sie zogen Schutzanzüge über und schulterten die Atemgeräte. Karl Nilpach hing sich, im stillen Einvernehmen mit Chris, ein beträchtliches Paket Sprengstoff an den Gürtel. »Die Injektionsspritze«, hatte er dazu scherzhaft bemerkt.
    Chris Nolocs Helmscheibe war noch geöffnet. Carol Mieh hantierte mit mehreren Behältern, sie drehte den anderen den Rücken zu. Chris trat zu ihr. »Fertig?« fragte er.
    Sie reichte ihm schweigend einen Kanister, sah ihn aber dabei nicht an.
    »Was ist?« fragte Chris leise. Er faßte ihr Kinn, so daß sie ihn ansehen mußte. In ihren Augen schwammen Tränen.
    »Angst?« fragte Chris.
    Carol nickte, sie rang um Beherrschung, zwang sich zu einem eigenartigen Lächeln, bei dem die Lippen bebten.
    Chris zog sie kurz an sich und strich ihr mit der Hand übers Haar. »Schon gut«, sagte er, »wir sind gleich wieder da.«
    Nur Gela hatte die Szene beobachtet. Karl Nilpach lag bereits in der Einmannschleuse, die Ennil bediente. Bevor Chris die Helmscheibe schloß, trat er dicht an Gela heran und raunte ihr zu: »Bitte hilf ihr. Sie ist doch das erstemal dabei.«
    Gela nickte. Chris hielt ihr die Hand hin. Sie erwiderte seinen Händedruck, sah ihn an, und jetzt, aus unmittelbarer Nähe fanden sich die Blicke.
    War schön von ihm, das mit Carol, dachte Gela. Plötzlich wurde ihr weh. Wie würde sich Harold verhalten haben in einer Situation wie dieser? Ebenso, bestimmt! Und von einem solchen Gang ist er nicht zurückgekommen… Sie sah Chris bekümmert nach, wie er sich anschickte, in die Schleuse zu klettern.
    Einen Augenblick glitten ihre Gedanken ab. Nicht jeder hatte den nächsten Menschen auf der »Ozean I«, aber dennoch war sie sich sicher, daß nicht nur sie in diesen Tagen und Stunden so häufig an die verschollenen Gefährten dachte. Zu viele gemeinsame Erlebnisse banden sie aneinander, vom gemeinsamen Schulbesuch, von der Expeditionsvorbereitung. Einige der jetzigen Besatzung hatten damals schon dabeisein sollen, wurden aus irgendwelchen Gründen zurückgestellt… Und es ist noch keine drei Jahre her.
    Gela machte einen Schritt auf die Schleuse zu, kniete neben Chris nieder, kontrollierte den Verschluß des Helmfensters und sagte: »Paß auf, Chris…«
    »Paß auf!« rief in einem gänzlich anderen Ton Karl Nilpach, als sich Chris aus der Schleuse hievte, freilich ohne jeden Erfolg. Chris zog es gleichsam die Beine weg, und er schlug lang hin. Der gefurchte Untergrund zeigte sich ungeheuer schlüpfrig und uneben.
    Nilpachs Lachen drang aus dem Lautsprecher. »Entschuldige«, sagte er dann. »Aber ein wenig komisch sah das schon aus.«
    Er versuchte, Chris aufzuhelfen. Aber offenbar machte die Swallow in diesem Augenblick eine jähe Wende. Sie stürzten nun beide zu Boden.
    »Biest, verfluchtes!« schimpfte Karl Nilpach. »Warte nur!«
    Er langte in die noch offene Schleuse und holte zwei Bergstöcke hervor.
    Chris Noloc deutete nach vorn, wo die Erweiterung der Röhre weit in die Dunkelheit hineinführte.
    Karl Nilpach nickte und richtete den Strahl der Lampe dorthin. Die Röhre verengte sich allmählich.
    Sie kamen nur langsam voran.
    Dann bedeutete Karl Nilpach Chris, er solle nicht am Grund der Röhre gehen, sondern mehr an der Seite, es sei dort weniger schlüpfrig. Kaum hatte Chris die Schräge erreicht, als etwas Unerwartetes geschah: Durch die Röhre huschte ein fahler Schein. Der rutschige Boden bebte, die Fasern und Ringstrukturen verschoben sich elastisch gegeneinander.
    »Festhalten«, schrie Chris. Er schlug seinen Stock in die nachgiebigen Fasern und drückte sich in die angedeutete Mulde zwischen den Ringen. Er spürte, wie ihn etwas für einen Augenblick an die Wand drückte, dann an ihm vorbeiglitt. Sobald als möglich stand er auf, leuchtete mit seiner Lampe dem, was da vorbeigedrückt worden war, hinterher und wischte mit dem Ärmel über das Helmfenster. Ihn durchfuhr ein gewaltiger Schreck. Was er im Schein der Lampe ausmachte, war der riesige, zusammengedrückte, mit zerknickten Gliedmaßen umwickelte Leib eines geflügelten Tieres, der schnell auf den Hubschrauber zuglitt.
    »Karl, Karl!« schrie Chris.
    »Ja«, hörte er es keuchen, und er atmete
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher