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Expedition Mikro

Expedition Mikro

Titel: Expedition Mikro
Autoren: Alexander Kröger
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Ev taten geheimnisvoll. Djamila hatte zwar stets in den wenigen Stunden, die sie sich mit Hal getroffen hatten, im Bausch und Bogen von ihrer Arbeit berichtet, aber im Mittelpunkt standen natürlich die Kinder. Je näher der Katamaran den Leewards kam, desto heimlicher taten die beiden, und sie versuchten, die anderen auf das, was sie erwartete, gespannt zu machen.
    Unklar blieb, was Professor Fontaine in der Zwischenzeit vollbracht hatte. Er hatte zum Erstaunen der meisten, auf die Einladung hin spontan zugesagt. Seine Gefährtin, eine stille Fünfzigerin, beteiligte sich nur wenig an den Gesprächen, obwohl man ihr nachsagte, daß sie ein bedeutender Gen-Chirurg sei. Eines fiel auf an Fontaine: Er aß diese Plätzchen nicht mehr.
    Hal hatte sich so an die stereotype Geste gewöhnt, daß er ihr Ausbleiben beinahe als störend empfand.
    Je näher sie der Inselgruppe kamen, desto mehr erstarb die ungezwungene Fröhlichkeit. Erinnerungen wurden ausgegraben, ein »weißt du noch«, oder »erinnerst du dich« leitete immer öfter die Gespräche ein, und die Spannung wuchs, geschürt von Djamila und Ev.
    Hal fragte sich, was in dieser Zeit schon alles geschehen sein könnte. Sicher war da allerhand zu schaffen, bei der Konzentration der Kräfte. Trotzdem blieb auch bei ihm gespannte Erwartung.
    Djamila und Ev hatten längst Funkkontakt mit der Insel, verrieten aber noch nichts. Keiner wollte Spaßverderber sein, und so verzichteten die anderen darauf, die Taschengeräte zu benutzen.
    Das erste, was auffiel, war ein langer, über die Brandung führender Landungssteg, der den Katamaran in sein Kraftfeld zog. Als sich die Wellenbrecher geschlossen hatten, lagen sie still wie auf einem Binnensee.
    »Wir gehen zu Fuß!« Ev rief Professor Fontaine zurück, der auf den Hängebahnwagen zugesteuert war. Er blickte bedauernd auf das Gefährt – und jetzt fuhr, zu Hals Freude, seine Hand in die Hosentasche. Freilich ohne Ergebnis…
    Es war wirklich Unvorstellbares geleistet worden. Sie hatten die Inselgruppe erschlossen, Tunnel verbanden die Inseln unterseeisch, Kuppeln wuchsen über die Vegetation empor, feine Netze hingen zwischen Türmen.
    Die Kleinen nahmen am geistig kulturellen Leben der Erde teil, und auch ihre Sendungen drangen jetzt regelmäßig bis in den letzten Erdenwinkel.
    Aber mehr noch als auf all die hervorragenden technischen Anlagen brannten die Besucher darauf, ihre Freunde aus der Miniwelt wiederzusehen. Auch das hatten die beiden Frauen vorbereitet.
    Gela und Chris kamen der Besucherschar Hand in Hand entgegen. Um sie herum sprangen zwei Menschen, die sie um mehr als Haupteslänge überragten, mit unverkennbar kindlichen Zügen. Hätte die Trennlinie auf dem Fußboden der Terrasse nicht existiert, die den Verlauf der Feldlinse des Transopters kennzeichnete, die Täuschung, es mit normalwüchsigen Menschen zu tun zu haben, wäre perfekt gewesen.
    Alle empfanden es als schmerzlich, daß die herzliche, bewegende Begegnung berührungsfrei vonstatten gehen mußte. So blieb es bei Winken und Lachen und bei Worten.
    Gela stellte dann vor: »Unsere fünfjährigen Zwillinge«, und sie deutete auf die Riesen in ihrem Gefolge.
    Zunächst fühlte sich Hal eigenartig angerührt, dann fand er nichts weiter dabei. Für sie wird es zur Natur, überlegte er.
    Sind wir selbst nicht heute noch stolz, wenn die Kinder die Eltern übertreffen, auch an Körpergröße? Was schadet es, wenn hier – und das nur aus unserer Sicht – die Maßstäbe noch mehr verschoben sind?
    »Und so groß sind wir!« sagte Chris nicht ohne Stolz, und er betätigte einen Schalter, der die Feldlinse außer Betrieb setzte.
    Zwar mußten sich die Augen der Großen erst daran gewöhnen, aber dann: Chris und Gela in ihrer Umgebung, etwa fünf Millimeter groß. Also war es gelungen, die Wuchsgene Erwachsener zu reaktivieren!
    »Bis zehn Millimeter könnten sie es noch schaffen!« flüsterte Ev Hal zu. Aber das wußte Hal bereits von Djamila.
    Die Kinder benahmen sich – eben wie Kinder. Einmal kullerten sie sich balgend über die Linie. Und was eben noch sehr große Kinder zu sein schienen, verwandelte sich in ein erbsgroßes Knäuel.
    Hal stellte sich vor, daß sie, wenn sie erwachsen sein würden, die Eltern um mindestens das vier- bis fünffache überragen würden. Und es schien sicher, daß in einem halben Jahrhundert von den Kleinen nur noch phantastisch anmutende wissenschaftliche Abhandlungen übrig bleiben würden, als Zeugnis des Verwerflichen
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