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Expedition Mikro

Expedition Mikro

Titel: Expedition Mikro
Autoren: Alexander Kröger
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hervorstechendste war eine zackenbewehrte Zange, bei deren Anblick Zweifel ob der Haltbarkeit der Kabine kommen konnten. In der geöffneten Zange bebten unaufhörlich schaufelartige Platten, die wohl die Aufgabe hatten, die Beute in den Rachen zu fördern.
    »Es ist eine Ant«, sagte Chris obenhin, als sei das, was sie sahen, lediglich Anschauungsmaterial im Biologieunterricht.
    »Früher gab es sie zu Hause auch. Es sind mehrere Arten bekannt«, jetzt dozierte er mit leichter Ironie, natürlich wußte das Gela auch, »unterschieden nach Farbe und Größe, manchmal auch nach der Art der Nahrungszubereitung. Wenn ich den Kopf so sehe, das Biest hat sicher zwanzig Fuß Länge.« Chris wurde wieder ernster. »Sie schafft das Panzerglas trotzdem nicht. – Aber entscheidend bleibt: Wo kommt sie her?«
    »Müßten wir die anderen nicht wecken?« fragte Gela. »Auf keinen Fall!« erwiderte Chris. »Wir legen uns auch wieder hin.
    Eine Gefahr droht jetzt nicht, aber wer weiß, was uns morgen erwartet. Nur, ich möchte gern noch feststellen, ob sie allein ist.«
    Chris kletterte behutsam auf den Pilotensitz und bemühte sich, aus der Wölbung der Scheibe heraus soviel wie möglich von der Umgebung des Hubschraubers aufzunehmen. Als er den Kopf nach oben drehte, hätte er beinahe einen Ruf der Verwunderung ausgestoßen: Zwischen zwei schwarzen, nicht definierbaren blockartigen Gebilden schimmerte ein mattes Lichtpünktchen. Wäre er sich nicht sicher gewesen, sich im Inneren einer Swallow zu befinden, er hätte geschworen, dort oben sei ein Stern.
    Dann schaltete er die Bugscheinwerfer ein. Als das grelle Licht sie traf, verharrten die Ants einen Augenblick. Mehrere von ihnen befanden sich im Blickfeld, gespenstig vor dem dunklen Hintergrund. Einige trugen Stücke der Muskelfasern, andere gruben ihre Zangen in die weichen Teile der Röhrenwandung. Der Hubschrauber schien sie nicht im geringsten zu stören und – was Chris als wesentlicher empfand – nicht zu interessieren.
    Chris kroch zurück. Er ertastete Gelas Hand, drückte sie kurz und flüsterte: »Schlaf, die wird sich verlaufen haben, ist sicher durch den Schlund gekommen. Es war nichts weiter zu sehen.«
    Er legte sich neben sie zum Schlaf. Gela war ihm dafür dankbar. Behutsam entzog sie ihm ihre Hand.
    Es wird wohl doch ein Stern gewesen sein, dachte Chris, und er fühlte sich wohl bei diesem Gedanken. Schon im Einschlafen verspürte er ein leichtes Beben des Bodens. Recht so, packt nur zu, dachte er, dann schlief er endgültig ein.

Zweites Kapitel
    Res Strogel streckte ihre langen Beine von sich und lehnte sich auf der Bank weit zurück. Den Kopf beugte sie in den Nacken, daß sie die Lehne der Bank an den Stoppeln der extrem kurzgeschnittenen Haare spürte.
    Die vielen Vorübergehenden konnten sie so für eine sonnenhungrige Müßiggängerin halten, die die durch das Kuppeldach dringenden UV-Strahlen der tiefstehenden Wintersonne auf sich wirken ließ.
    In der Tat spürte Res einen Augenblick die wohlige Wärme, spürte den Duft eines Jasminstrauches, der irgendwo in der Umgebung blühen mochte, und sie lauschte auf das Geplärr der Spatzen. Sie ließ nicht ohne Anstrengung aus ihrer Haltung heraus den Blick in die Runde gehen, betrachtete die Fußgänger, einige Mütter, die gemeinsam mit ihren Kindern die Heimtage verbrachten, sie sah die Blumen und blühenden Sträucher, die Bäume und die Reflexe der Kuppel hoch über sich, die diese kleine Welt gegen Frost und Winterstürme schützte.
    Aber hinten, in ihrer Blickrichtung, zwischen den Blütenkerzen einer Kastanie, schimmerte das Rostigrot des aus der Ratioepoche stammenden Kubus, in dem das Institut untergebracht war. Res empfand einen winzigen Augenblick doppelt den Kontrast zwischen den Annehmlichkeiten dieser Bank und dem, was sie gerade hinter sich gebracht hatte. Dann fühlte sie sich nur noch leer, unsagbar leer und hatte das Empfinden, ewig hier in der Sonne sitzen zu können, nichts mehr denken zu müssen, nur die Natur ringsum spüren.
    Res hob den Kopf. Ein Spatz segelte an ihr vorbei, landete unmittelbar vor ihr. Er sah sie schief an, hüpfte noch näher und hackte – nachdem er sich vergewissert hatte, daß der langhingestreckte, bewegungslose Mensch ihm nicht übelwollte – nach einer gebogenen, am Rande des Weichplastweges in den Rasen gespießten weißen Feder, die er offenbar für die Ausstattung seines Nestes um alles in der Welt bergen wollte. Allein, er bekam sie nicht los. Auch als
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