Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
der Welt. Denn viele warteten auf dieses sein Werk. Ja, was sagen Sie nachher dazu, Herr Nachbar? dachte er; es war aber Leonhard Riemann, an den er dachte.Für einen Augenblick glitt seine Aufmerksamkeit ab. Er stellte sich den Freund vor, der also den Nazi zum Essen hatte aufspielen müssen, und: Gewöhn dich, Katz, dachte er grimmig die pädagogische Aufforderung des Mannes aus jener bayrischen Anekdote, der allmorgendlich mit seiner lebendigen Katze den Ofen auszukehren pflegte.
    Dann aber kehrte er zurück zu seinem Werk. Es ist ein weiter, harter Weg, den er hat machen müssen von der Rundfunkaufführung der »Perser« bis zu diesem »Wartesaal«. Mit Schmerz und Lust in einem spürte er die Erinnerung der Jahre des Exils, ihre Qual und ihren Triumph. Es waren böse Jahre gewesen, es waren gute Jahre gewesen, und wie er so saß, ganz still, dachte er, ihm seien sie zum Heil gewesen, ihn hätten sie nach oben gerissen. Früher hatte er’s nur mit dem Verstande gewußt, daß es nicht möglich war, die scheußlich geordnete Gesellschaft auf sich beruhen zu lassen und dabei gute Musik zu machen: jetzt wußte er’s mit dem Herzen. Jetzt hätte er’s auch Anna beibringen können.
    Es ist keine schlechte Aufführung, die sie da hermachen in ihrer Queens Hall, aber vieles ist schon recht verwurstelt. Richtige Musik machen können sie halt doch nur zu Hause in Deutschland. Wird er’s noch erleben, daß er den »Wartesaal« gespielt hört von deutschen Musikern und vor deutschen Hörern? Wird er’s erleben, daß der alte Riemann den »Wartesaal« dirigiert und daß die Gefühle, aus denen heraus er die Sinfonie geschrieben hat, Historie sein werden, abgelebt, vorbei? Wird er ein Deutschland noch erleben, in dem er zu Hause sein kann, er und Hanns?
    Die letzten, starken Takte des »Wartesaals« klangen auf, da die unsichtbaren Wände einstürzen und der langerharrte Zug nun doch kommt, die Wartenden aufzunehmen. Und dann war die Musik zu Ende, noch schwang der Jubel der Posaunen in der Luft, mit wieviel Qualen war er erkauft, und hinein brauste jetzt der Jubel der Hörer.
    Sepp stellte den Apparat ab. »Zeit lassen«, sagte er.

Nachwort
    Der Roman »Exil« wurde begonnen im Mai 1935 und vollendet im August 1939, unmittelbar vor Beginn des Krieges. Geplant war das Werk von Anfang an als ein historischer Roman; jetzt haben die Ereignisse das Buch für die Augen auch des naivsten Lesers zu einem historischen Roman gemacht, indem sie einen Punkt setzten hinter die Epoche, in welcher seine Handlung spielt.
    »Exil« ist der dritte Teil des »Der Wartesaal«-Zyklus. Erster Teil dieser Trilogie ist der Roman »Erfolg«, zweiter der Roman »Die Geschwister Oppermann«.
    Inhalt des Roman-Zyklus sind die Geschehnisse in Deutschland zwischen den Kriegen von 1914 und 1939, das heißt, der Wiedereinbruch der Barbarei in Deutschland und ihr zeitweiliger Sieg über die Vernunft. Zweck der Trilogie ist, diese schlimme Zeit des Wartens und des Übergangs, die dunkelste, welche Deutschland seit dem Dreißigjährigen Krieg erlebt hat, für die Späteren lebendig zu machen. Denn es wird diesen Späteren unverständlich sein, wie wir ein solches Leben so lange ertragen konnten, sie werden nicht begreifen, warum wir so lange zuwarteten, ehe wir die einzig vernünftige Schlußfolgerung zogen, die nämlich, der Herrschaft der Gewalt und des Widersinns unsererseits mittels Gewalt ein Ende zu setzen und an ihrer Statt eine vernünftige Ordnung herzustellen.
    Warum und wieso wir das nicht taten, warum die meisten es nicht einmal wollten, warum selbst die wenigen, die richtige Erkenntnisse hatten, so seltsam und unbegreiflich dahinlebten, dieses unser armseliges, bitteres, verrücktes und heroisches Dasein in der langen Zeit des Wartens und des Übergangsden Spätergeborenen begreiflich zu machen, das also versucht der Roman-Zyklus »Der Wartesaal«.
    Denn wenn diese Späteren noch so viele sachliche und kluge Berichte über unsere Zeit lesen werden, begreifen werden sie sie doch nicht. Wie wir hilflos bemüht waren, das Alte festzuhalten, während wir uns nach dem Neuen sehnten, wie wir das Neue fürchteten, während wir doch erkannten, daß es das Bessere sei, wie wir schwankten und hofften und bangten: das seltsame Lebensgefühl, das die Berührung und die Trennung dieser beiden Pole entstehen ließ, dieses einmalige Lebensgefühl unserer Übergangszeit festzuhalten, darauf kam es mir an. Was ich gestalten wollte, waren weniger die Menschen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher