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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]
Autoren: Aufbau
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bequemen Besuchersessel. Trautwein gibt ihm das Manuskript, Heilbrun liest, schmunzelt. »Gut, derb, deftig, bayrisch«, meint er. »Ein bißchen viel ist die Rede von Ärschen, Fürzen und dergleichen. Wenn Sie den oder jenen weglassen könnten, wirkten die andern stärker.« – »Bon«, sagte friedfertig Trautwein. »Ich werde es gleich machen; dann geht es in Satz und ist auf alle Fälle bereit, wenn der Artikel in der nächsten Nummer erscheinen soll.« – »Natürlich soll er«, erwidert Heilbrun. »Es ist einiges Dringliche da«, wendet anständigerweise Trautwein ein. »Ein guter Aufsatz ist immer dringlich«, erwidert Heilbrun. »Leider, oder glücklicherweise, wie Sie wollen, haben wir ja Aktualität nichtmehr so notwendig wie in Berlin.« Während er den Artikel las und während des kurzen Gespräches hernach hatte er sich belebt; jetzt erschlaffte er wieder, sein großer, viereckiger Kopf mit den weißen, kurzgeschnittenen, borstigen Haaren sah müde aus.
    Trautwein verabschiedete sich und war schon unter der Tür, als Herr Gingold eintrat, der Verleger. »Ah, unser teurer Mitarbeiter«, sagte Herr Gingold mit bemühter Liebenswürdigkeit und streckte Trautwein die Hand hin, den Arm eng an den Körper gepreßt. »Teuer?« fragte Trautwein zurück. »Bei Ihren Honorarsätzen?« Er sprach nicht gern von Gelddingen; doch Gingold mit seinem falschfreundlichen Lächeln und seinen schadhaften Zähnen gehörte zu den wenigen Menschen, gegen die er eine ausgesprochene Abneigung hatte. Gingolds hartes, fleischloses Gesicht, sein viereckiger, grauschwarzer Bart, seine unter der Brille hervorspähenden kleinen Augen, seine altmodische, betont bürgerliche Kleidung, langer Rock, Gummizugstiefel, alles verdroß den sonst duldsamen Trautwein. »Die Honorarsätze erhöhen, das ist mein Traum, seitdem ich das Blatt gegründet habe«, erwiderte Gingold, noch stärker grinsend, bestrebt, die trockene Stimme sanft, schmeichlerisch zu machen; trotzdem ging sein Geknarr dem musikalischen Trautwein auf die Nerven. Auch daß er sich zu der Behauptung erdreistete, er habe die Zeitung gegründet, ärgerte Trautwein; denn alle Welt wußte, daß die »Nachrichten« die Idee und die Gründung Heilbruns waren, während Gingold das Unternehmen lediglich finanzierte, und das zu drückenden Bedingungen. Trautwein wunderte sich, daß Heilbrun Gingolds Behauptung geduldig hinnahm. »Aber«, fuhr Gingold fort, »Sie wissen ja, was alles einer Erhöhung der Honorarsätze im Weg steht«, und er legte umständlich dar, daß er eben deshalb zu Heilbrun gekommen sei, weil er ihm eine weitere Einschränkung des Gesamthonorars fürs Feuilleton vorschlagen müsse.
    Da Heilbrun nicht erwiderte – vielleicht wollte er es in Gegenwart Trautweins nicht zu einem Streit kommen lassen –,beharrte Gingold nicht auf dem Thema, sondern griff ungeniert nach Trautweins Manuskript. »Manuskript für uns, wie ich sehe«, meinte er. »Ich erkenne es daran«, kommentierte er, »daß es mit unsern Schreibmaschinen getippt ist.« Er lächelte fatal; er sah es nicht gern, daß Mitarbeiter, die nicht fest angestellt waren, seine Schreibkräfte in Anspruch nahmen. Hätte er noch mehr gemäkelt, dann wäre ihm Trautwein grob gekommen. Doch Gingold verzichtete klüglich auf jede weitere Anzüglichkeit, und Trautwein mußte ihm das Manuskript wohl überlassen. Gleich gierigen Ratten liefen Gingolds harte Augen über die Zeilen, bissen sich an einer Stelle fest, gingen weiter, bissen sich an einer zweiten Stelle fest. Alle schwiegen. Endlich hatte Gingold fertig gelesen. »Sehr hübsch«, sagte er, »sehr gut gesagt, ein echter Trautwein«, und er gab weitere platte Lobesworte von sich. »Aber«, meinte er, und gegen seinen Willen wurde seine knarrende Stimme herrisch, »wenn ich Ihnen raten darf, dann streichen Sie ein paar Derbheiten«, und mit steifem Finger die Zeilen nachfahrend, las er laut jene Stellen, die ihm nicht gefielen. Wie er sie las, klangen sie wirklich unflätig und witzlos. »Sie gebrauchen«, erläuterte er, »diese kräftigen Worte in bezug auf einen Mann, der immerhin die juristische Qualität eines Staatsoberhauptes hat. Man liebt uns nicht sehr, und es ist möglich, daß man uns daraufhin Schwierigkeiten macht. Aber ich finde die fraglichen Stellen an sich nicht sehr gut; meiner bescheidenen Meinung nach, Herr Professor, sind sie Ihrer nicht würdig. Und meinen Lesern werden sie auch nicht gefallen.«
    Trautwein selber hatten sie mißfallen im
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