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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit
Autoren: Greg Bear
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Akademeia. Die Eltern brachten sie gemeinsam nach Rhodos mit einem Pferdewagen, der über die gleiche steinige und ölige Straße fuhr, die sie zwei Sommer zuvor benutzt hatten.
    Patrikias Haus stand auf einer steilen Klippe, die den Großen Seehafen überschaute. Es war ein kleines Gebäude aus Stuck und Steinen im spätpersischen Stil, mit vier Zimmern und einem separaten Arbeitsraum auf dem niedrigen Felsenvorsprung über dem Strand. Als sie den Weg durch den Gemüsegarten hochgingen, schaute Rhita über eine Backsteinmauer auf die alte Festung von Kambyses jenseits des Hafens, die sich wie ein riesiger Steinbecher am Ende einer breiten Mole erhob. Die Festung war seit siebzig Jahren verlassen, wurde jetzt aber durch die Oikoumene restauriert. Arbeiter kletterten winzig wie Mäuse an ihren dicken, verfallenden Wänden herum. Der Neos Kolossos bewachte die Hafeneinfahrt hundert Ellen vor der Festung, immer noch ohne Arme mit noch größerer Würde auf seinem massiven Sockel aus Back- und Naturstein mitten im Wasser stehend.
    »Ist sie eine Hexe?« fragte Rhita Rhamon leise an der Vordertür.
    »Psst!« warnte Berenike und bekreuzigte Rhitas Lippen mit dem Finger.
    »Sie ist keine Hexe«, sagte Rhamon lächelnd. »Sie ist meine Mutter.«
    Rhita dachte, es wäre hübsch, wenn eine Dienerin die Tür öffnete, aber die Sophe hatte kein Gesinde. Patrikia Vaskayza stand lächelnd in der Türöffnung, eine weißhaarige stockdürre Frau mit brauner Haut und scharf blickenden Augen zwischen ledrigen Runzeln. Selbst in der sommerlichen Hitze blies der Wind auf der Anhöhe kühl, und Patrikia trug eine bodenlange schwarze Robe.
    Sie berührte Rhitas Wange mit einer trockenen Fingerspitze, und Rhita dachte, Sie ist aus Holz. Aber die Hand der Sophe war weich und angenehm parfümiert. Hinter dem Rücken brachte sie eine Blütengirlande zum Vorschein und legte sie Rhita um den Hals. »Eine alte Tradition aus Hawaii«, erklärte sie dazu.
    Berenike stand mit gesenktem Haupt da, die Hände fest an die Seiten gepreßt. Rhita sah die ehrfurchtsvolle Scheu ihrer Mutter und mißbilligte sie leicht. Gewiß war die Sophe sehr alt und dürr, aber nicht furchteinflößend. Zumindest noch nicht. Rhita zupfte an den Blüten um ihren Hals und sah Rhamon an, der ihr ermutigend zulächelte.
    »Wir werden speisen«, sagte Patrikia. Ihre Stimme war rauh und fast so tief wie die eines Mannes.
    Sie ging ihnen langsam voraus in die Küche, wobei sie jeden Schritt genau abmaß und ihre Füße in leichten Hausschuhen über den dunklen Fußboden glitten. Ihre Hände berührten die Lehne eines Sessels, als ob sie einen Freund begrüßte, klopften dann auf die Kante eines alten schwarzen Eisenbeckens und strichen schließlich über den Rand eines verblaßten hölzernen Tisches, der mit Obst und Käse gedeckt war. »Nachdem mein Sohn und meine Schwiegertochter – sie sind nette Leute, stören aber – fortgegangen sind, können wir wirklich reden.« Die Sophe sah Rhita scharf an, und das Mädchen nickte, ohne es zu wollen, verschwörerisch.
     
    Sie verbrachten einen großen Teil der nächsten Wochen zusammen. Patrikia erzählte ihre Geschichten, die Rhita zu einem guten Teil schon von ihrem Vater bekannt waren. Patrikias Erde war nicht die Gaia, auf der Rhita aufgewachsen war. Die Geschichte war dort anders verlaufen.
    An einem warmen, dunstigen Tag, als der Wind still war und das Meer in glattem Schlaf verloren schien, ging ihre Großmutter langsam vor ihr her in einen nahen Orangenhain, einen Obstkorb am Arm hängend. »In Kalifornien pflegte es überall Orangenhaine zu geben und schöne große Früchte, viel größer als diese hier.« Patrikia hob eine rötliche pflaumengroße Orange mit ihren dünnen, starken Fingern hoch. »Die Pflanzungen waren fast verschwunden um die Zeit, da ich in deinem Alter war. Zu viele Leute wollten dort leben. Nicht genug Raum für die Haine.«
    Rhita fragte: »Großmutter, ist Kalifornien hier oder dort?«
    »Dort, auf der Erde«, sagte Patrikia. »Hier gibt es keinen solchen Namen.« Sie hielt inne und blickte nachdenklich zum Himmel empor. »Ich weiß nicht, was geschähe und wo Kalifornien sich in dieser Welt befinden würde… Ich nehme an, daß es ein Teil der westlichen Wüste von Nea Karkhedon ist.«
    »Voller roter Männer mit Bogen und Pfeilen«, vermutete Rhita.
    »Ja, vielleicht, vielleicht.«
    Als sie nach dem Essen in der Küche allein beisammen waren, hörte Rhita ruhig der Sophe in der angenehmen Kühle
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